"Besuch im Intelligenzpark"
UNTERSCHEIDUNGSVERMÖGEN und DENKEN ZWEITER ORDNUNG sind die Stichworte moderner Theorie. Prof. Dr. Dirk Baecker, der Inhaber des Reinhard-Mohn-Stiftungslehrstuhls für Unternehmensführung und Wirtschaftsethik an der privaten Universität Witten, über raffinierte Gedankengänge von Niklas Luhmann, Bateson, Leibniz, Spencer-Brown bis zurück zu Thales von Milet. Was heißt Denken zweiter Ordnung? Es gibt dafür ein einfaches Beispiel: Ein Kranich erfindet einen Kranich, um sich selbst beim Fliegen beobachten zu können. Um das zu tun, muß er einen dritten Kranich erfinden, der den zweiten Kranich beim Beobachten beobachtet. Ohne diesen indirekten Standpunkt läßt sich etwas Lebendiges nicht analysieren. Ältestes Schamanenwissen und neueste Soziologie gehen gleicherweise um mit diesem Denken zweiter Ordnung.
Die Emotion sagt nicht "ICH"
Georges Didi-Huberman gehört zu den führenden Philosophen und Kunsthistorikern Frankreichs. 2015 erhielt er in Frankreich den Th. W. Adorno-Preis. Als Hochschullehrer lehrt er an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (Paris). Sein Domizil im 10. Arrondissement in Paris ist vollgestopft mit Büchern und moderner Kunst. In sechs Bänden schrieb Georges Didi-Huberman eine "Geschichte des Auges". Ausgangspunkt sind vier Fotografien, die ein Sonderkommando aus Häftlingen unter den extremen Bedingungen der Tötungslager in Auschwitz machte und über Partisanen zur Veröffentlichung der Welt übergab. ("Bilder trotz allem"). An solcher Widerstandslinie der menschlichen Wahrnehmung entlang, also vom Punkt der Not und nicht des künstlerischen Luxus, entfaltet Didi-Huberman eine Theorie der Moderne. Er stützt sich auf die Frankfurter Kritische Theorie (Benjamin, Adorno) ebenso wie auf Brecht, Eisenstein und moderne französische Philosophen wie Gilles Deleuze und Georges Bataille. Immer wieder tritt für ihn der Mnemosyne-Atlas in den Blick, den Aby Warburg von 1912 bis 1928 als eine enigmatische "Zeittafel" zusammenstellte. Besuch in der aktiven Gedankenwerkstatt von Georges Didi-Huberman in Paris.
"Das Tafelsilber der Gedanken putzen!"
Paolo Fabbri, der Gefährte von Umberto Eco, gehört zu den SEMIOLOGEN. Er interessiert sich für die Unterschiede zwischen den Zeichen und den Realitäten. Seine Mühe gilt dem, was früher die Philologen (z.B. Nietzsche) taten: Die Worte und die Ausdrucksmittel von Täuschung reinzuhalten. Begegnung mit dem italienischen Philosophen Paolo Fabbri.
"Sprich nicht leichtsinnig vom Feinde"
Carl Schmitt ist eine der großen Autoritäten des deutschen Verfassungsrechts in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte gibt es niemand, der ihm im Ausdrucksvermögen für komplexe politische Sachverhalte das Wasser reicht. In der studentischen Protestbewegung von 1968 hatten die Gedanken des damals 70-Jährigen eine neue Blüte: "Schmittianimus von links". Dies gilt vor allem für eine seiner letzten Schriften "Die Theorie des Partisanen". Jürgen Busche, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, berichtet anlässlich einer kürzlich veröffentlichen, aufregenden Schrift von Heinrich Meier über den: "Begriff des Politischen bei Carl Schmitt". Politik, sagt Carl Schmitt, ist die genaue Bestimmung des Feindes. Deshalb: "Sprich nicht leichtsinnig vom Feinde". Carl Schmitt, sagt Jürgen Busche, ist einer der neugierigsten Menschen des Jahrhunderts, er besitzt eine "imperial Neugier". Martin Heidegger, Ernst Jünger und Carl Schmitt, drei wenig erforschte Bergwerke.