Aus dem Archiv: Das Gehirn, unser Zuhause


Alles im menschlichen Selbstbewusstsein besteht aus zwei verschiedenen Teilen, vor allem die Hemisphären des Hirns zerfallen in eine linke und in eine rechte Seite. Woher stammt die Illusion, dass unser Selbstbewusstsein einheitlich sein soll? Der Ordinarius in der Bonner Universitätsklinik, Prof. Dr. med. Detlef Linke, entwickelt aus der biologisch-materiellen Grundlage unserer Bewusstseinstätigkeit und aus Kenntnis der Dichtung (einschl. Gottfried Benn) die Abgründe, auf denen die Vorstellung des einheitlichen Ichs beruht. Ein besonderes Merkmal ist dabei die weitere Teilung der Hirnfunktion in die Tätigkeit des tatenreichen Stammhirns und der bewegungsarmen Großhirnrinde. Diese Teilung wird durch das TV nochmals umgekehrt: Während in der Entwicklung der Menschen die Gefahren an den Rändern der Wahrnehmung direkt aufs Stammhirn wirken, während das Großhirn die Schreibtische, Kamine und Intimitäten baut, findet auf dem TV-Schirm die Aktion im Zentrum statt, während an den Rändern des Gesichtsfelds „die Hausfrau das Bier reicht“, was zu heftigem Krieg führen kann. Eine äußerst spannende und informative Sendung: „Das Gehirn, unser Zuhause“.

► „Das Gehirn, unser Zuhause“ (10 vor 11 vom 17.04.1994)


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► Ich denke mit dem Knie

Die postmoderne Neurotechnologie verbindet Mensch und Apparat in ungewöhnlicher Weise. Lebende Zellen, in Computer eingebaut, warnen vor Giftgas. Videogeräte, am Brillenrand befestigt, werden durch Kabel mit einem Hirnlappen verknüpft und gebe direkte Informationen ins Hirn. Sind menschliche Organe als Interfaces zur Umwelt brauchbar? Hirnforscher Prof. Dr. Detlef B. Linke berichtet von neuartigen Entwicklungen. Ein Stück Knie ins Hirn verpflanzt, vermag zu denken …


► „Eines jeden Menschen Geschichte steht in seinem Gesichte“

Gesichter lesen gehört seit der Antike zur Orientierung im Alltag und war die große Kunst der Seher im Orient. Mit dem Wiedererkennen Gottes im Menschenantlitz durch Lavater im 18. Jahrhundert und dem Aufkommen des Polizeifotos im 19. Jahrhundert, wird versucht, die Physiognomik zur Wissenschaft zu machen. Claudia Schmölders hat in ihrem spannenden Buch „Das Vorurteil im Leibe“ die außerordentlichen Chancen für Irrtümer, aber auch das hohe Maß an Menschenkenntnis beschrieben, das mit Gesicht lesen verbunden ist. Eigentlich, sagt sie, ist das Gesicht das einzige Nackte, was vom menschlichen Körper übrig ist, aber gerade dieses nackte Gesicht trägt auf verblüffende Weise alle Masken der Kultur. Es sagt die Wahrheit und es lügt wie gedruckt.


► „Nichts für schwache Nerven“

Franz Abraham, bereits bekannt durch das sensationelle Artprojekt, ist Produzent von Art Concerts. Jetzt hat er eine Open-Air-Weltpremiere auf dem Königsplatz in München gestartet: die „Carmina Burana“ (nach einer Liedersammlung eines Mönchs aus Benediktbeuern) von Carl Orff, rechtzeitig zu dessen 100. Geburtstag. Regisseur: Walter Haupt, musikalische Leitung: Robert Abbado. Die „magischen Bilder“, wie sie Carl Orff vorschreibt, spielen in einem 22 m hohen Stahlturm. Nächste Stationen der Weltpremiere: das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, die Bucht von Rio de Janeiro und Japan. Katastropheneinsatz, um Teile des Stahlturms von Brünn rechtzeitig in die Bundesrepublik zu schaffen. Die Erstaufführung selbst wird durch einen Gewittersturm unterbrochen. Wassermassen und Blitze verhindern auch nach einstündigem Ausharren des Publikums die Aufführung. Am nächsten Tag die Weltpremiere. Keine Sache für schwache Nerven. Die Sendung gibt einen Einblick in die Praxis des Produzenten einer solchen Veranstaltung, der als Unternehmer für alles verantwortlich bleibt: Franz Abraham.