Richter Jaime R. Corral vom Superior Court in L.A., ein Jurist mexikanischer Abstammung, stellt seine Jury aus straffälligen Jugendlichen zusammen. Eine solche Peer-Group-Jury, sagt er, urteilt exakter härter, als die Geschworenen im O.E. Simpson-Prozess. Zugleich werden ihre Urteile von den jugendlichen Kriminellen offener angenommen. Eine ungewöhnliche Aushilfe, angepasst an die von Gangs beherrschten Viertel in L.A.
► Jugendrichter in Los Angeles (Primtime vom 25.02.1996)
Sehen Sie dazu auch auf dctp.tv
Der U.S.-Soziologe Mike Davis („Quartz City“, „Ökologie der Angst“, „Tote Städte“) nennt Los Angeles „ein Fantasma der Machbarkeit“. Ein Werbeslogan bei den Einwohnern von L.A. heißt: THE CITY WE LOVE TO HATE. Es geht um „die Dialektik der gewöhnlichen Katastrophen“ (Mike Davis). Wie kommt es, dass diese unregierbare Stadt nach wie vor als ein so GEWALTIGER ATTRAKTOR für weitere Zuwanderung funktioniert? Ist diese fraktale Stadt ein Spiegel unserer Zukunft? Dr. Ulrike Sprenger, Verfasserin des Proust-ABC, berichtet.
Wir sind die Vereinigten Staaten zu einer Nation geworden? Zunächst mischen sich in Nordamerika Völkerscharen aus Irland, Polen, Deutschland, Russland, England, Italien usf.; hinzutreten die Schwarzen: Amerika ist ein Schmelztiegel von Immigranten. Der Bürgerkrieg, den die Nordstaaten gegen die Südstaaten in der Mitte des 19. Jahrhunderts gewinnen, („Vom Winde verweht“) spaltet das Land zusätzlich. Prof. Miriam Hansen von der Universität Chicago sieht das Motiv für die Herausbildung eines Nationalgefühls vor allem in folgenden vier Faktoren: den überall gleich billigen und höchst brauchbaren Waren aus dem Versandhauskatalog von Sears & Roebuck, den Eisenbahnen, der Not im Ersten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit und schließlich den Varietés und Kinos.
Die amerikanische Nation entsteht, sagt Prof. Miriam Hansen, nach dem Prinzip des Supermarkts und aus dem Geist der Medien. Prof. Miriam Hansen leitet an der Universität Chicago eines der wichtigsten Filmzentren der U.S.A.
Es gibt eine Männerfantasie, sagt der Kulturforscher Klaus Theweleit, nach der schöne, eingeborene Frauen weißen Männern das Leben retten. Später entsteht aus solchem Geschlecht die Besiedlung eines ganzen Kontinents. Dieser Fantasie kommt die Geschichte von der Indianerin POKAHONTAS sehr nahe. Nach dem Abenteuerbericht eines der Siedler Virginias rettete sie ihm das Leben. Später heiratet sie einen anderen Siedler. Diese harmonische Verbindung von Weißen und Indianern wurde aber nicht zum Prinzip der Besiedelung der U.S.A. Warum nicht? Aus welchen Gegenfantasien zum Märchen von POKAHONTAS bestehen die Rassenschranken? Begegnung mit Klaus Theweleit und seinem BUCH DER KÖNIGE.