Neu auf dctp.tv: Der Blick ins Unbekannte



Gravitationswellen sind Veränderungen von Raum und Zeit. Albert Einstein hat sie vorausgesagt. Gewaltige kosmische Ereignisse wie z. B. der Einsturz und der Zusammenstoss von Neutronensternen verraten ihre Existenz. Mit Hilfe solcher Gravitationswellen wird man in das Dunkel der Anfänge des Universums „hineinsehen“ können. Zahlreiche Nobel-Preise winken den Entdeckern. Aus den neuesten Forschungen des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik. Mit Prof. Dr. Luciano Rezzola, Prof. Dr. Maria Alessandra Papa, Prof. Dr. F. Bernhard Schutz und Prof. Dr. Bruce Allan.

► Der Blick ins Unbekannte (News & Stories vom 13.05.2007)


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► Gravitationswellen – der Sound, in dem der Kosmos singt

Der Nobelpreisträger Rainer Weiss, geboren 1932 in Berlin, gehört zur Physiker-Elite der USA. Nach abenteuerlicher Laufbahn wurde er vom Radiotechniker zum Gravitationswellenforscher.
Nach Einsteins Relativitätstheorie waren solche Gravitationswellen vorausgesagt worden. Sie gehören zur elementaren Struktur, in der das Universum „atmet“ und „singt“. Aber nur in extremen Ausnahmefällen, nämlich bei ungeheuer massierten und zugleich beschleunigten Massen werden solche Wellen für Geräte beobachtbar, die wir auf unserer Erde besitzen. Dass jetzt eine solche Beobachtung von Gravitationswellen gelang, gehört zu den Sensationen der modernen Astrophysik, die derzeit ihre Goldgräberjahre erlebt. Die Anlagen zur Messung solcher Gravitationswellen ziehen sich kilometerlang durch das Gelände, müssen auf mehreren Kontinenten gleichzeitig beobachten und finden ihre Unterstützung im Orbit durch Satelliten. Auslöser für die Gravitationswellen, die jetzt beobachtet wurden, waren extrem dichte Himmelskörper, sogenannte Neutronensterne, die in einem Doppelsternsystem einander immer schneller umkreisten und dann in einer gewaltigen Explosion verschmolzen. Auch kollidierende Schwarze Löcher können Gravitationswellen in von uns messbarer Weise erzeugen. Gravitationswellen bilden für die astrophysikalische Forschung ein Scheunentor für die Erkenntnis des Universums als Ganzem und vor allem für dessen Anfänge unterhalb der ersten Sekunde unserer „Weltzeit“.
Prof. Dr. Rainer Weiss ist einer der maßgebenden Forscher, die in diesem Jahr die drei für die Gravitationswellenforschung ausgeteilten Nobel-Preise erhielten.
Begegnung mit Prof. Dr. Rainer Weiss vom MIT in Boston.


► Das Babbeln der Schwarzen Löcher

Gelähmt in seinem Rollstuhl, vor seinem Computer mit der Maus klickend, erforscht Stephan Hawking den Kosmos und die Raumzeit. Er verknüpft die Relativitätstheorie Einsteins mit dem unscharfen Prinzip der Quantenphysik. Mit diesem raffineirten Instrumentarium untersucht er die rätselhafte Konzentration „perverser“, d.h. in sich zusammengestürzter Materie, die wir Gravitationsfallen oder Schwarze Löcher nennen.
Er hat herausgefunden: Die Schwarzen Löcher sind nicht schwarz. Obwohl sie eine extrem geizige Form der Materie darstellen, geben sie Energie ab. Die klassischen Gesetze der Physik, die sich durch Eleganz und Klarheit auszeichnen, verhalten sich in den Schwarzen Löchern als laut und besonders unordentlich. Die Schwarzen Löcher „babbeln“, sagt Hawking.
Der Filmemacher Errol Morris portraitiert den genialen Physiker in seinem Film „Eine kurze Geschichte der Zeit“.


► Sternenwind und Gammablitz

Wir Bewohner der zivilen Erde können uns einige der extremen und exotischen Zustände im Universum nicht vorstellen. Das gilt z.B. für Überriesen von bis zu 100 Sonnenmassen, die im Krisenfall in Bruchteilen einer Sekunde explodieren und ihre Materie als Sternenwind im Raum verstreuen. Ein anderes Beispiel sind die seltenen, aber kompakten Systeme von zwei Neutronensternen, die einander eng umkreisen. Auch hier kann es zu einer gewaltigen Explosion kommen, oder zur Bildung eines Schwarzen Loches. Überhaupt geben die Gravitationsfallen, denen kein Licht entkommt und die wir Schwarze Löcher nennen, nach wie vor Rätsel auf. Keine Theorie weiß, sagt der Astrophysiker Hans-Thomas Janka, was innerhalb eines Schwarzschild-Radius, nämlich im Schwarzen Loch, tatsächlich geschieht.
Sternenwind gibt es bei allen Sonnen. Vermutlich werden von einem solchen Partikelstrom in Zukunft einmal Raumschiffe mit großen „Segeln“ angetrieben werden. Rasanter als der Sternenwind sind die Gammablitze. Sie sind die energiereichste Erscheinung im Kosmos. Erfolgt ein Gammablitz in der Entfernung von 1.000 Lichtjahren von unserem Sonnensystem, hätte er eine tödliche Wirkung auf uns. Die Annahme ist berechtigt, dass eines der fünf großen Massensterben in der Evolution des Lebens auf der Erde, die alle 300 Millionen Jahre festzustellen sind, auf die Strahlung eines Gammablitzes zurück zu führen ist.
Dr. Hans-Thomas Janka, vom Max Planck Institut für Astrophysik in München-Garching, berichtet.


► Das Universum im Labor

Es herrscht Aufbruchsstimmung bei den Astrophysikern und den Teilchenzertrümmerern. Die Physik des 21. Jahrhunderts ist mit gewaltigem Gerät auf der Spur unbekannter Dimensionen und alternativer Materie. Gibt es Parallel-Universen? Lassen sich Fabriken gründen zur Herstellung von Anti-Materie? Welche Kräfte lässt eine Supernova-Explosion frei? Was sind Raumbeben? Auf verschiedenen Wegen nähern sich die Forscher auf Nanosekunden dem hochenergetischen Anfang der Welt: dem Urknall. In diesem Anfangspunkt kann man heute den Überschall-Jet (indirekt) messen, von dem alle Schwingungen herkommen. Dieser hochenergetische Punkt liegt aber nicht an einer bestimmten Stelle, sondern ist überall im Universum verteilt: der Urknall ist überall. Die neuesten Forschungen arbeiten mit Fernrohren, die außerhalb der Erde die Galaxien und Sterne untersuchen. Zugleich arbeiten sie im unendlich Kleinen. Die Anfänge der Welt sind nämlich auch in den Teilchen versteckt, die bis zur Planck-Länge hinab bei der Kernzertrümmerung im Cern und im Synchroton des GSI entstehen. Prof. Dr. Horst Stöcker, Vizepräsident der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität und Chef der „Gesellschaft für Schwerionenforschung“ (GSI) bei Darmstadt, berichtet.


► Dunkle Materie am Werk

Fast ein Drittel der Substanz im Kosmos nennen die Astrophysiker „Dunkle Materie“. Sie ist schwer zu fassen, weil sie mit der Sternenmaterie, aus der wir selbst bestehen, nicht wechselwirkt. Sie übt aber mächtigen Einfluss auf die Galaxien und das gesamte Weltall aus, durch ihre messbare Gravitation. Sie bildet das unsichtbare „Rückgrat des Universums“. Die Forschungsgruppe um den Astronomen Jörg Dietrich an der Universitäts-Sternwarte München beobachtet zwei riesenhafte Galaxienhaufen in einer Entfernung von 2 Milliarden Lichtjahren. Zwischen diesen Sternenmassen sehen sie eine Materienbrücke. Diese spiegelt die gravitative Arbeit der Dunklen Materie als wäre sie ein Fernrohr. Auf diese Weise haben diese Astronomen die Wirkung der Schwarzen Materie erstmals „gesehen“.