Dass Heinrich von Kleist Jurist war, merkt man an vielen seiner Erzählungen, die um dramatische Rechtsfragen kreisen. Auch Shakespeare und Homer befassen sich mit Rechtsfragen. Heiner Müller, der Träger des Kleist-Preises von 1990, ist der Meinung, dass seine Dramen im wesentlichen Rechtsfragen enthalten. Er analysiert an Beispielen von Kleist, Shakespeare und an eigenen Stücken. Jedenfalls ist sein „Kampf ums Recht“ sein inneres Motiv. Ein Gespräch mit Heiner Müller.
► Heiner Müller über Rechtsfragen (10 vor 11 vom 22.11.1990)
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► Heiner Müller: Napoleon zum Beispiel
Alles was er wollte, wollte er mit 100 %iger Gewissheit, sagt man von Napoleon. Er hatte einen Blick von „rasender Kraft, aber eiskalt“. „Er trug das Böse in sich, wie eine Mutter ihr Kind“. „Das letzte große europäischen Phänomen“.
200 Jahre ist es her, dass er mit seiner Armee die Alpen überschritt und seinen Siegeslauf begann. Seither ist ein Charakterbild umstritten.
Hegel nennt ihn „den Weltgeist zu Pferde“ und „den Mann der 193 Widersprüche“. S. Freud behauptet, Napoleon habe psychisch den Ödipus-Komplex verfehlt und werde dafür vom Josephs-Komplex beherrscht. Wie der biblische Joseph, der in Wettbewerb mit seinen Brüdern stand, beherrschte Napoleon Ägypten. Er hatte die Absicht bis Indien vorzudringen. Erstmals an seine Grenzen gelangte der Kaiser 1807 in der Winterschlacht bei Preussisch-Eylau in Ostpreussen. Imposant ist Napoleon besonders im Unglück, z.B. bei dem Rückzug seiner Armee über die Beresina. Ihn begleitet auf allen Feldzügen sein Chefarzt der Garde, Baron Larrey, der seine Erlebnisse in berühmt gewordenen Memoiren niederschrieb.
Heiner Müller hat in seinem Text den einzigen Moment festgehalten, an dem Napoleon öffentlich geweint hat. Der Text heißt: „Napoleon zum Beispiel“.
► Charakterpanzer und Bewegungskrieg
Der Aufstieg und der Geist der Panzerwaffe im Ersten und Zweiten Weltkrieg: „Industrie auf Rädern“. Panzerung im Inneren der Menschen. Bewegungskrieg. „Die Raubsaurier des Eisenzeitalters“.
Musik: Abhorrence mit „Disintegration of Flesh“, „Pestilential Mists“. Acrostichon mit „Dehumanized“ und Toxemia mit „Who dies“ und „Debts of Gods“.
Musikmagazin mit kurzen Kommentaren von Heiner Müller.
► Im Mantel der Nacht
Reinhard Jirgl, Jahrgang 1953, ist Träger der bedeutendsten deutschen Literaturauszeichnung, des Georg-Büchner-Preises. Seine Romane sind für die Dichte ihrer Sprache und ihren reichen Erfahrungsgehalt bekannt.
Was bedeutet für diesen Dichter die Abenddämmerung und die Nacht? Wie würde er eine Morgenröte bedichten? Was fesselt ihn an Hölderlin oder Edgar Allan Poe? Was löst der Sternenhimmel bei ihm an Phantasien aus?
Ein Werkstattgespräch zwischen Alexander Kluge und Reinhard Jirgl. Zwei Autoren. Wie schreibt man in unserer Zeit Texte, die die so verschiedene Idole wie Heiner Müller, Arno Schmidt, Gottfried Benn, Ernst Jünger fortsetzen? Was sind vorrangige Themen im 21. Jahrhundert?
Einer von Reinhard Jirgls Romanen, „Nichts von euch auf Erden“, wurde kürzlich zu einem Drama umgearbeitet und mit Erfolg auf der Bühne aufgeführt. Es geht darum, dass Menschen mit Gewalt den Mars für eine menschliche Besiedlung herzurichten suchen. Die aggressive Aktion wirft, statt den Mars bewohnbar zu machen, den Marsmond Phobos aus seiner Bahn. Der Mond stürzt auf unsere Erde und vernichtet sie. Wie vor 4 Milliarden Jahren muss das Leben auf unserem Planeten vom Einzeller aufwärts neu anfangen.
► „Die Sprache setzt die Körper in Bewegung“ – Begegnung mit Dimiter Gotscheff
Heiner Müller schrieb an den Regisseur Dimiter Gotscheff nach dessen Inszenierung des Müller-Dramas PHILOKTET den legendären Philoktet-Brief: das Manifest des SCHWARZEN THEATERS. Darin geht es um die Sprache der Körper und das Schweigen. Gotscheffs Inszenierung der ANATOMIE TITUS, der HAMLET-MASCHINE und des PHILOKTET, alles Dramen von Heiner Müller, sind entscheidende Kommentare zu dem Werk dieses Dramatikers.
Begegnung mit Dimiter Gotscheff.