Aus dem Archiv: Der transhumane Mensch


Die brasilianische Filmemacherin Iara Lee berichtet in ihrem jüngsten Film „Synthetic Pleasures“ über neueste Formen kontrollierter Umwelt in Japan (Ozean und Stand in der Halle, Ski abfahren in der Halle), über Roboter, die in die einzelnen Zellen und Organe dringen, über die Optimierung der Hirnökologie und über transhumane Identitäten („der Mensch als Interface“). Es geht um virtuelle Vergnügungen, die bereits auf die Menschheit warten. Der in Japan lebende Australier Stelarc macht seinen Körper zur Schnittstelle für mächtige Technologien des 3. Jahrtausends. Sein Körper besitzt eine dritte Hand, die er mit Bauchmuskeln und einem Muskel des Oberschenkels steuert. Der biologische Mensch, sagt der Künstler Stelarc, ist veraltet. Den veralteten Psychokörper muss man an das höchst menschliche Cyber-System anschließen, in dem wir in Zukunft leben werden. Das ist „posthumane Kunst“. Besonders ungewöhnliche Interfaces zwischen Technik und Mensch beschreibt der Hirnforscher Prof. Dr. Detlef B. Linke. Lebende Zellen, in Computer eingebaut, waren in der japanischen U-Bahn vor Giftgas: Nichts schreit so rasch und zuverlässig um Hilfe, wie die lebendige menschliche Natur. Das kann die postmoderne Neurotechnologie nicht ersetzen, sie kann es aber mit ihrem Mitteln auf verblüffende Weise zur Anwendung bringen. Ist das Transhumane mehr human oder weniger human als der alte Mensch?

► Der transhumane Mensch (News & Stories vom 09.09.1996)


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► Roboter sucht Körperkontakt

Prof. Dr. Christaller über die Entstehung der Intelligenz aus dem Bedürfnis nach Geselligkeit und Nähe. Prof. Dr. Christaller ist Leiter einer Arbeitsgruppe für kognitive Robotik. Seine Arbeitsgruppe studiert die Entwicklung der Intelligenz und des Bewusstseins in der biologischen Evolution. Die Arbeitsgruppe entwickelt aber auch Kleinstroboter, die im städtischen Untergrund, in den für Menschen nicht begehbaren Abwasserkanälen, künftig ihr Biotop und ihr Arbeitsfeld finden sollen.
Dazu müssen sie, sagt Prof. Dr. Christaller, sich zunächst aneinander gewöhnen und Lust am gegenseitigen Körperkontakt gewinnen. Ihre Intelligenz entsteht nicht aus eingebautem Logikzwang, sondern aus sozialen Motiven. Ohne sozialen Kontakt sind sie unbrauchbar. Auch die menschliche Evolution zeigt: Die Intelligenz entsteht in ihrer Wurzel aus sozialen Motiven.


► Monster wie Du und Ich

Der amerikanische Regisseur ist berühmt durch seine BATMAN-Filme und EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN. Mit MARS ATTACKS hat er Monster mit dem „dreckigsten Lachen der Welt“ (DER SPIEGEL) erschaffen. Gnadenlos zerschießen sie die Erde und sind nur durch Musik zu bändigen. Das sprachliche Ausdrucksvermögen der Marsianer begrenzt sich auf ein entschlossenes „Ack-Ack“!

Seinen Examensfilm als Student nannte Tim Burton in Anlehnung an Frankenstein FRANKENWEENIE. Es geht um die Ausgrabung eines verunglückten Hundes auf dem Hundefriedhof, seine Wiederbelebung als Monster und die fanatische Jagd der Bevölkerung auf dieses Tier, das hässlich aussieht, aber doch ein gutes Herz besitzt.

Tim Burtons vereinigte Pop-Figuren sind „Monster wie Du und ich“ (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG). Der kompromisslose Regisseur empfände es als attraktiv, demnächst Roboter vom Roboter-Friedhof zu filmen, die sich bei ihrer Wiederbelebung gegenseitig reparieren könnten.

Tim Burton live im Gespräch.


► Was erwartet uns in der 4.0-Welt?

Die erste industrielle Revolution beruhte auf Wasserkraft und Dampfmaschine. Sie brachte einen rasanten Produktionsschub in die Welt und hat die Eigenschaften der Menschen am nachhaltigsten geprägt. Aus ihr entstand die Moderne. Die zweite industrielle Revolution datiert man auf etwa 1880: der Siegeszug der Elektrizität und der Chemie. Die dritte industrielle Revolution reicht von der Rationalisierung der Arbeitskraft über zwei Weltkriege bis zu den Computern und Robotern.

Neuerdings wird gesagt, dass wir in rasantem Tempo auf eine vierte industrielle Revolution zugehen: die 4.0-Welt. Es geht nicht nur um selbstfahrende Autos, einen stärkeren Grad der Vernetzung von Computern, sondern um eine Parallelwelt zu unseren gewohnten Wirklichkeiten. Fabriken, die sich selbst steuern, reparieren. Maschinerie, die ihre eigene Innovation beherrscht. Das ist das Internet der Dinge. Diese digital-industrielle Revolution wird die Menschen verändern, Spannungen und Umverteilungen zwischen ihnen erzeugen. Sie wird aber nicht ohne Weiteres Roboter oder künstliche Intelligenz stärker machen als die menschliche Natur.

Dr. Marc Beise ist Leiter des Wirtschaftsressorts der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Die zahlreichen Mitarbeiter eines solchen Ressorts müssen alle verschiedenen Seiten der Ökonomie im Auge behalten und die Veränderungen in dieser Welt den Lesern dolmetschen. Ein solcher Wirtschaftsteil ist vielseitig wie ein Libellenauge. Dr. Beise berichtet, was uns im Internet der Dinge erwartet: von Silicon Valley bis zu von der Industrie fast unberührten Flächen in Afrika.