Das Proust-ABC



Heute erscheint die vollständig überarbeitete und erweiterte Neuausgabe von Ulrike Sprengers „Das Proust-ABC“ mit einem Vorwort von Alexander Kluge bei reclam. Ulrike Sprenger ist Professorin für Romanische Literaturen und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz. Mit Alexander Kluge drehte sie zahlreiche Filme, darunter auch Gespräche über das Werk von Marcel Proust.

► Ulrike Sprenger(Themenschleife mit 34 Filme)


Literaturempfehlung

Proust für Kenner und Neugierige: Ulrike Sprengers »Proust-ABC« ist so facettenreich wie Prousts großes Romanwerk »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Es erschließt alle wichtigen Motive und Themen der »Suche« und leistet zugleich viel mehr: Es eröffnet neue Perspektiven, stellt Zusammenhänge her und macht Hintergründe sichtbar, von denen wir ohne dieses »ABC« nichts wüssten.
Ein pointierter Wegweiser durch ein Schlüsselwerk der Moderne.

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► Eisenbahn, das Gefährt der Einbildungskraft

Eisenbahn, Auto und Flugzeug faszinieren Marcel Proust in seinem Hauptwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Von der Eisenbahn sagt der Dichter, sie sei „das Gefährt der Einbildungskraft“. Von Proust stammen einige der schönsten literarischen Texte über das Dampf-Ross. Im Gegensatz dazu liebt Proust zwar auch das Auto, aber er meint, mit seiner Hilfe könne man durch die Wirklichkeit nur „zappen“ wie im TV. Prousts Chauffeur war zugleich sein Geliebter. Ihm schenkte Proust ein Flugzeug. Gleich nach Erwerb des Pilotenscheins stürzte der Freund tödlich ab. Dr. Ulrike Sprenger, Verfasserin des PROUST ABC, berichtet. Vor allem zum Buchstaben „E“ – wie Eisenbahn.


► Jedes Gefühl sucht seinen Vorteil

Mehrere hundert Jahre des Kapitalismus haben den geheimnisvollen „Mehrwert“ hervorgebracht. Im 20. Jahrhundert ergreift diese „Mehrwert-Produktion“ die Emotionen. Niemand hat diese moderne Wendung zur „Börse in uns“ so erfasst, wie Marcel Proust in seinem Romanwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Zu diesem Werk gibt es nachgelassene Skizzen, die bis heute weitgehend unbekannt sind.

Die Romanistin Ulrike Sprenger über Prousts Grundannahme: Jedes Gefühl sucht seinen Vorteil.


► Proust und der doppelte Blick

Marcel Proust, der Dichter des berühmten Romans des 20. Jahrhunderts AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT, war ein Fan der Stereoskope. Sie projizieren Doppelbilder, die um eine winzige Differenz verschieden sind und so den Augen eine Dreidimensionalität vorspiegeln, die die Fotografie in Wirklichkeit nicht hat. Abbildung und Perspektive, das ist das Programm des Romanautors Marcel Proust, das unübertroffen blieb.

Die Verfasserin des Proust-ABC, Dr. Ulrike Sprenger, berichtet.


► Schmerzliebe

Man kann nicht lieben, ohne zuvor Romane gelesen zu haben, sagt der Sozialforscher Niklas Luhmann in seinem Buch LIEBE ALS PASSION. Über das „süße Leid der Liebe, die Schmerzliebe“, die Petrarca erfand. Die Heilige Theresa von Avila, Marcel Proust und der spanische Dichter Calderon variierten die Schmerzliebe auf sehr verschiedene Weise. Dr. Ulrike Sprenger berichtet über die Metamorphosen der Schmerzliebe vom 14. bis zum 21. Jahrhundert.


► Suchscheinwerfer der Liebe

In seinem Hauptwerk AUF DER SUCHE DER VERLORENEN ZEIT zeigt sich Marcel Proust fasziniert von den Städten. In ihren Nächten, mit ihren Lichtern, durch ihre Labyrinthe bilden sie Konzentrate von Wünschen und möglichen Begegnungen. Was ist eine Liebesgeschichte gegen den flüchtigen Blickaustausch mit einer Passantin? Die Städte beschleunigen die menschliche Sinne. Vor allem Venedig und Paris sind für Proust utopische Orte. Paris beschreibt er als im Krieg untergegangene Trümmerstätte, über der sich vereinzelte Flugzeuge erheben. Der Gegenpol dazu sind die Massen elektrischer Lichter, die die Schatten der Gassen erst richtig interessant machen: Suchscheinwerfer der Liebe. Eine merkwürdige Tatsache fesselte Marcel Proust besonders: neben dem Eiffelturm sollte in Paris ursprünglich ein „Sonnenturm“ stehen, der die ganze Stadt nachts mit einem geradezu stalinistischen Flutlicht erhellt hätte. Eine solche Abschaffung der Nacht ist für Proust negative Utopie. Dr. Ulrike Sprenger, Verfasserin des Proust-ABC über: Suchscheinwerfer der Liebe


► Begehren, das die Welt regiert

Es gibt keine Objektivität jenseits des Begehrens. Das ist der Hauptsatz des antiken Dichters Ovid (METAMORPHOSEN, die Liebeskunst). Das sagt genauso der Erfinder des Romans des 20. Jahrhunderts Marcel Proust: alles öffentliche Geschehen löst sich bei näherer Betrachtung in Liebesgeschichten auf. Die Verfasserin des Proust-ABC, Dr. Ulrike Sprenger, stellt die scheinbare Subjektivität des Sünders Clinton in die Perspektive Prousts (AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT) und Ovids.


► Alles für die Schuhe

Zu den legendären Stummfilmen zählt Ernst Lubitschs Film über den Schuhpalast Pinkus. Der Meisterregisseur spielt darin auch die Hauptrolle. Es geht um Schuhe. Die Fußsohle, die Füße und die richtige Passform von Schuhen entscheidet über Schicksale. In dem Film gewinnt ein junger Schuhverkäufer (Lubitsch) gegen alle Wahrscheinlichkeit eine schöne Frau und ein Vermögen. Mao Tse Tung kritisierte einst seine bürokratischen Gegner, indem er ihnen vorwarf, dass sie „die Füße beschneiden, damit der Schuh passt“. Der Hinweis zeigt, wie sehr der Fuß und seine Bekleidung zu den Errungenschaften der Menschheit gehört (wie das „Kochen“, das die rohe Natur überwindet). Die Schuhfabrik Salamander entwickelte um die Jahrhundertwende (und dann unter Neuerungen bis tief ins 20. Jahrhundert hinein) das Prinzip „Schuhe für alle“. Fabrikmäßig und zugleich in hoher Qualität. Makaber dann, nach der Enteignung des jüdischen Unternehmens durch die Nationalsozialisten, wie dieses Unternehmen eine Rennstrecke zum Testen von Militärschuhen einrichtete. Insassen von Konzentrationslagern mussten dort in schwerem Fußwerk über Tag und Nacht laufen, um den Verschleiß zu testen. Für viele der Gefangenen führte das zum Tod. In der Haute Couture bildet der Schuh eine Spitzenkunst. Den Dichter Marcel Proust faszinierten die Schuhe der Göttin der Pariser Mode, der Comtesse de Greffulhe (sie gehört zu den Vorbildern zu Prousts Romanfigur Herzogin von Guermantes). Über dies alles berichtet Ulrike Sprenger, Romanistin an der Universität Konstanz. Sie interpretiert auch die einzige Filmaufnahme von Marcel Proust, die es gibt. Weniger als eine Minute lang. Es geht um Mode.


► „An der Tugend stirbt man, an der Wahrheit ohnehin“

Eine große Dame Frankreichs schrieb heimlich einen Roman: DIE PRINZESSIN VON CLEVE. Dieser früheste Roman wurde nicht nur zu einem sensationellen Erfolg, sondern ist bis hin zu Marcel Proust und Heinrich von Kleist das Vorbild eines guten Romans über die Welt der Gefühle.

Eine junge Adelige folgt den Lehren ihrer Mutter: „Sei immer Du selbst, hebe Dich auf, Du sollst Deiner Natur folgen, Du sollst Verträge, insbesondere den Ehevertrag, halten“. Das junge Mädchen weiß nicht, wie Liebe funktioniert. Sie heiratet einen Prinzen von Geblüt. Eines Tages begegnet ihr auf einem Hofball der Herzog von Nemours. Plötzlich weiß die Prinzessin, was Liebe ist. Nichts Schlimmes passiert. Sie will ihre wahren Gefühle vor ihrem Ehemann nicht verbergen. Daran stirbt er. Jetzt könnten die Liebenden heiraten. Sie aber fürchtet Eifersucht und geht ins Kloster.

Eine Sinfonie der Eigenliebe. Liebe ist als Rohstoff zur Treue ungeeignet. Es gehört aber zur Zivilisation, sagt Th. W. Adorno, daß man auf diesem schwankenden Boden der Liebe dennoch Dauerhaftigkeit hervorbringt. Das wäre ein Zölibat wert.

Es berichtet Dr. Ulrike Sprenger, die Autorin des PROUST-ABC.


► Schweigen ist Silber, Reden ist Gold

Flauberts „Dictionnaire des idées reçues“ (ungenau ins Deutsche übersetzt mit: „Lexikon der Gemeinplätze“) ist ein faszinierender Text, der erst nach dem Tode des Dichters veröffentlicht wurde. Es geht um die Reden und Antworten, die in der Pariser Gesellschaft zu Ende des 19. Jahrhunderts als „höflich“ und „intelligent“ und „andockfähig“ betracht werden. Nur scheinbar ist dies eine Sammlung von oberflächlichen Reden. Tatsächlich werden die Reden dem „Prinzip Geselligkeit“ untergeordnet. Hauptsache, man ist zusammen und spricht. Smalltalk im 19. Jahrhundert. „Schwere Rede und Tiefe“ würden diese Art von „fließender Rede“ stören. Flaubert nimmt hier etwas vorweg, was Proust in seinem großen Werk später entfaltet. Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Universität Konstanz, über Flauberts genialen Text.