Aus dem Archiv: Direkte Demokratie

Durch die Beteiligung des deutschen Außenministers an den Straßenkämpfen der GRUPPE PUTZ in Frankfurt 1973, strukturiert sich die Debatte über den studentischen Protest neu. Die eigentliche studentische Protestbewegung fand zwischen 1967 und 1969 statt. Die Ausläufer reichen weit über den „deutschen Herbst 1977“ hinaus. Man spricht vom Roten Jahrzehnt 1967-1977. Die öffentliche Erinnerung bleibt merkwürdig unzusammenhängend. Oskar Negt, einer der Sprecher des SDS in Frankfurt und Verfasser eines Buches über die Revolte von 1968, beschreibt den unmittelbaren Kontext zwischen der Ermordung Lumumbas im Kongo, dem Vietnam-Krieg, dem Protest in Berkeley und in den Ghettos der U.S.A., in Paris 1968, in den italienischen Kämpfen und in der Bundesrepublik.

Worum ging es zu Anfang der Revolte? Was bedeutet die Forderung der Studenten nach direkter Demokratie? Um welches Lebensgefühl geht es? „Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, hat schon verloren“.

Ein Gespräch mit Oskar Negt.

► Direkte Demokratie (News & Stories vom 26.08.2001)


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► Der politische Aufstand und die Kategorie der Plötzlichkeit
Im Sommer 1967, als nach der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg der studentische Protest um sich griff, war der Literaturwissenschaftler K. H. Bohrer Chef des Literaturblattes der FAZ. Als einer der Ersten befragte er die Studentenführer. Ausgesandt von einem konservativen Blatt bewegte er sich als Zeitzeuge mit größter Neugierde unter den studentischen Aufrührern. Immer im Disput mit seinem damaligen Freund Jürgen Habermas, der die reformerischen Ansätze der Protestbewegung favorisierte.

K.H. Bohrer dagegen interessierten die Plötzlichkeit und der enthusiastische Ereignischarakter des Aufbruchs. Er stellt jene Monate von vor 50 Jahren in den weiteren Zusammenhang der Revolutionen seit 1789 und den der Kategorie der Plötzlichkeit. Sein Buch, das er als Zeitzeuge und Literat verfasste, hat den Titel „Jetzt“.


► Wie beginnt man eine Revolution
Der Dichter und Kritiker Ludwig Tieck beobachtete in London hungrige Proletarier, die er mit Wölfen verglich. Sie strichen durch die nächtlichen Ladenstraßen der Stadt, nur durch dünne Ladenfenster von den üppigen Delikatessen getrennt, die ihren Hunger gestillt hätten. Tieck wunderte sich, dass das dünne Glas, das ein einziger Stein hätte zerstören können, diese Menschen abhielt, die gesellschaftliche Ordnung zu brechen. Es muss eine Mauer in ihnen geben, die sie vom Übergriff abhält.
In welchen historischen Momenten Revolutionen beginnen, ist nach wie vor unerforschtes Gebiet. Die frühen Revolutionäre wie Georg Weerth hielten den Streik für den Anfang des modernen Widerstands. Später galten Barrikadenkämpfe als Auslöser für den Umbruch. Was ist das revolutionäre Subjekt? Die Vorgänger der kommunistischen Partei, jene Gruppe von Wilhelm Weitling, für die Karl Marx und Friedrich Engels das Kommunistische Manifest schrieben, nannte sich „Bund der Gerechten“. Für die frühen Revolutionäre war die Frage wichtig: „Nehmen wir an, die Revolution würde heute stattfinden, wie geht es morgen weiter?“

Der Historiker Dr. Patrick Eiden-Offe, Zentrum für Literatur-und-Kulturforschung Berlin, über das revolutionäre Subjekt und die Frage: wie beginnt eine Revolution?


► Die blutige Hand
Die Vorgänge in Ägypten lehren: für die Herrschaft gibt es keine Vorratshäuser des Pharao. Was ein Herrscher wie Mubarak in den fetten Jahren an Macht anhäuft, hilft ihm in den mageren gar nichts. Vor allem der Transfer beschädigter Macht auf ein neues Regime gehört zu den riskantesten Geschäften der Politik. In der Geschichte endete das oft mit der „blutigen Hand“. Der Historiker Prof. Dr. Michael Stürmer berichtet.