Mit Hans Magnus Enzensberger ist für mich ein Gefährte gestorben. Er war durch und durch ein Poet. Und zugleich ist er der helle Geist der Enzyklopädie. Das folgende Programm ist ihm gewidmet.
In Trauer,
Alexander Kluge
► Erlöst die Nachrichten von der menschlichen Gleichgültigkeit
H.M. Enzensberger, Jahrgang 1929, ist ein Glücksfall. Er hat die Zeit seiner Lebensreise aus den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ins 21. Jahrhundert mit seinen Texten begleitet. Wie ein Architekt hat er neue literarische Genres entworfen. Als Erzähler hat er Lyrik, Essays und in der kürzesten möglichen Gestalt Romane geschaffen. Alles das gehört zum Erzählen. Wie kann man über Nachrichten so erzählen, dass sie nicht leblos und menschlich gleichgültig bleiben? Wie pflegt man die literarischen Tugenden der Lakonie, der Überraschung und der Kürze und wahrt dennoch den Zusammenhang? Welche literarischen Chancen liegen in der Form der „Vermischten Nachrichten“? Wie kein anderer Autor verbindet H.M. Enzensberger größtmögliche Offenheit mit Gründlichkeit. Begegnung mit dem Autor und Gespräch.
Hans Magnus Enzensberger steht in diesem Jahr im Fokus der Medien. Seine Veranstaltungen auf den Salzburger Festspielen und mehrere Sendungen aus Anlass seines 70. Geburtstags haben sein Werk in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Seit 1955 hat Hans Magnus Enzensberger in seinen Dichtungen in regelmäßigen Abständen auch auf sein Geburtsland Deutschland reagiert. Die Beziehung war immer kritisch. Oft ist Enzensberger in andere Länder (z.B. U.S.A., Norwegen) ausgewichen, um Atem zu holen: „Deutschsein ist kein Beruf“. Sein Werk spiegelt die alte Bonner Republik Adenauers (SPIEGEL-Krise, Gruppe 47) genauso wie die Protestbewegung von 1968, die Raketenkrise von 1984, wie den heutigen Übergang zur Berliner Republik. Enzensberger ist der Weltläufigste unter den deutschen Dichtern. Eines seiner frühesten Essays heißt EINZELHEITEN. Eine Sendung über Hans Magnus Enzensberger. Auch aus Anlass des September-Heftes der Schweizer Zeitschrift DU, Heft Nr. 699, das Enzensberger gewidmet ist.
H.M. Enzensberger aus Anlass seines neuen Buches „Die Elixiere der Wissenschaft“. Enzensberger spricht über den bürgerlichen Charakter und die Neigung der modernen Intelligenz, von den Elixieren des Teufels zu kosten. In der Antike, sagt Enzensberger, waren Wissenschaft und Poesie noch miteinander verbunden, z.B. in den Lehrgedichten von Lukrez.
Eine Versammlung des menschlichen Wissens war die Absicht der „Encyclopédie“, an der die besten Geister Frankreichs jahrelang schrieben. Die Stichworte sind noch heute von größter Aktualität. Die ANDERE BIBLIOTHEK publizierte eine Auswahl der wichtigsten Artikel. Mit Kommentaren moderner Autoren. Hans Magnus Enzensberger, Herausgeber der ANDEREN BIBLIOTHEK, und Dr. Manfred Osten, Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, berichten.
-> „Ein bisschen ist er auch Lehrmeister“ (ZEIT Online)
Gespräch mit Alexander Kluge über seine Zusammenarbeit mit Hans Magnus Enzensberger
-> Die literarische Welt reagiert auf den Tod von Hans Magnus Enzensberger (FAZ)
Mit Gedanken von Alexander Kluge.
-> »Er hat mir mehrmals die Leviten gelesen« (DER SPIEGEL)
Alexander Kluge und der verstorbene Hans Magnus Enzensberger gehören zu den wichtigsten Intellektuellen des Landes. Hier erinnert sich der Filmemacher an die prägenden Stationen ihrer gemeinsamen Zeit: vom Nationalsozialismus bis zum RAF-Terror.