Das Zentrum der Weltwirtschaft und der Weltpolitik, das um 1900 noch eurozentrisch war, wandert heute aus nach Asien. China wird im Jahr 2020 über die stärkste Wirtschaft der Welt verfügen. Konrad Seitz, ehemals Leiter der Planungsbeteiligung des auswärtigen Amtes und Botschafter in China, berichtet davon in seinem neuen Buch CHINA-EINE WELTMACHT KEHRT ZURÜCK.
► Hongkong 1997 (News & Stories vom 17.02.1997)
Sehen Sie dazu auch auf dctp.tv
Im Sommer 1997 wird die ehemalige Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China übergeben. Wie wird dieser turbulente Motor des Kapitalismus im 21. Jahrhundert unter neuer Verwaltung aussehen? In den „Ungleichen Verträgen“ mit China, die den Opiumkrieg beendeten, erpresste England 1841 die Übereignung einer dünn besiedelten Pirateninsel: Hongkong. 1898 pachtete das Britische Imperium ein Stück Hinterland auf 99 Jahre hinzu. Hieraus entstand eine Metropole der Welt mit überaus rasantem Wachstum. Im Sommer 1997 wird dieses Prunkstück des Kapitalismus an die Volksrepublik China Übergeben.
Der China-Experte und Zukunftsforscher Prof. Dr. John Naisbitt war Stellvertretender Erziehungsminister unter Kennedy und hat die Begriffe Globalisierung und Mega-Trend erfunden. In seinem (mit seiner Frau Doris geschriebenen) Buch DIE ACHT SÄULEN. MEGATRENDS IN CHINA entwickelt er eine Theorie, die den rasanten Vorwärtskurs Chinas begründet. Was ist vertikale Demokratie? Inwiefern liegen die Wurzeln der modernen chinesischen Politik tief in der Vorgeschichte dieses Landes verwurzelt? Wie eines seiner Vorbilder, der berühmte Ökonom Adam Smith, ist John Naisbitt Schotte, zugleich halb Däne und als Universitätslehrer und Praktiker tätig in den U.S.A. und in China. Begegnung mit John Naisbitt.
► Der Weise hängt an keiner Idee
Der Soziologe Dirk Baecker berichtet über den französischen Philosophen François Jullien und dessen aufsehenerregendes Buch DER UMWEG ÜBER CHINA. Jullien behauptet, wir Europäer fänden den Weg zu unseren Wurzeln in der Antike am besten über den Umwegüber China. Nur wenn wir uns auf diese, von uns ganz unabhängige, Strategie und Denkweise der Chinesen einlassen, kommen wir uns selbst näher. Für die europäische Mentalität, sagt François Jullien, stehen Wille und Idee im Vordergrund. Wir glauben durch Handeln Wirklichkeit erzeugen zu können. Neuerdings werfen die Amerikaner den Alt-Europäern vor, sie täten das nicht vehement genug. Die chinesische Weisheit, aber auch alle praktischen Strategien Chinas, sagt Jullien (und Dirk Baecker bestätigt das aus der Erfahrung von Luhmanns Systemtheorie) gehen dagegen davon aus, dass man sich der Wirklichkeit zunächst anvertraut. Es gibt den Gegensatz zwischen Idee und Tatsachen überhaupt nicht. Man muss immanent wirken. Insofern hängt der Weise an keiner Idee.
Eine der seltsamsten Massenbewegungen des 20. Jahrhunderts war die Chinesische Kulturrevolution. Von ihr handelt der Film „Morning Sun“ von Carma Hinton und Geremie R. Barmé (Australien). Die erregenden Bilder dieser Dokumentation zeigen eine „Revolution innerhalb der Revolution“, die teils spontan, teils von oben angeordnet war, zahllose Opfer kostete und in ihren Einzelheiten immer noch unbekannt ist. Es geht um verratene Ideale. Zugleich aber auch um den selbstbewussten Aufbruch einer neuen Generation, der scheiterte.