HEINER MÜLLER zum 90. Geburtstag


Am 9. Januar 2019 wäre Heiner Müller 90 Jahre alt geworden

Am 30.12.2015 jährt sich der 20. Todestag von HEINER MÜLLER, einer der großen, weltbekannten, deutschen Dramatiker. Alexander Kluge hat im Zeitraum von 1990 – 1995 an die zwanzig Gespräche mit Heiner Müller geführt.
► HEINER MÜLLER zum 90.


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► Heiner Müller: Napoleon zum Beispiel
Alles was er wollte, wollte er mit 100 %iger Gewissheit, sagt man von Napoleon. Er hatte einen Blick von „rasender Kraft, aber eiskalt“. „Er trug das Böse in sich, wie eine Mutter ihr Kind“. „Das letzte große europäischen Phänomen“.
200 Jahre ist es her, dass er mit seiner Armee die Alpen überschritt und seinen Siegeslauf begann. Seither ist ein Charakterbild umstritten.
Hegel nennt ihn „den Weltgeist zu Pferde“ und „den Mann der 193 Widersprüche“. S. Freud behauptet, Napoleon habe psychisch den Ödipus-Komplex verfehlt und werde dafür vom Josephs-Komplex beherrscht. Wie der biblische Joseph, der in Wettbewerb mit seinen Brüdern stand, beherrschte Napoleon Ägypten. Er hatte die Absicht bis Indien vorzudringen. Erstmals an seine Grenzen gelangte der Kaiser 1807 in der Winterschlacht bei Preussisch-Eylau in Ostpreussen. Imposant ist Napoleon besonders im Unglück, z.B. bei dem Rückzug seiner Armee über die Beresina. Ihn begleitet auf allen Feldzügen sein Chefarzt der Garde, Baron Larrey, der seine Erlebnisse in berühmt gewordenen Memoiren niederschrieb.
Heiner Müller hat in seinem Text den einzigen Moment festgehalten, an dem Napoleon öffentlich geweint hat. Der Text heißt: „Napoleon zum Beispiel“.


► Der Aufstand beginnt als Spaziergang
Thomas Thieme, Jahrgang 1948, feierte seine großen Erfolge als Richard III, Faust und in der Titelrolle von HELMUT KOHL im Fernsehen (unter vielen anderen Charakterrollen). Jetzt überraschte er mit einer Veranstaltung zu Heiner Müllers radikaler HAMLETMASCHINE und zu Antonin Artauds THEATER DER GRAUSAMKEIT: modernes Theater auf dem Prüfstand. Begegnung mit dem großen Thomas Thieme.




► Reden wir vom Tod
Eine Saturn-Pluto-Konstallition gefährdete kurzfristig den Theater – und Filmemacher Christoph Schlingensief. Dreimal entrann er einer höchst gefährlichen Situation. „Mitten im Leben sind wir von dem Tod umfangen“.
Der Theateraktivist Schlingensief berichtet von seinen Eindrücken.


► Ein Höhepunkt abendländischer ICH-KULTUR
Claus Peymann, Leiter des Berliner Ensemble, früher Intendant des Burgtheaters Wien, über seine Zusammenarbeit mit dem großen Regisseur Einar Schleef. Man darf, sagt er, die oft ans Unmögliche grenzenden Forderungen, die Einar Schleef an das Theater stellte, nicht unterschätzen. Sie bezeichnen genau den Übergang zur Utopie, für die sich das Theatermachen überhaupt lohnt. Die letzte Inszenierung von Einar Schleef blieb ein Fragment, da er kurz vor der Premiere starb. Claus Peymann hat dieses Fragment im Berliner Ensemble behutsam rekonstruiert. Er ehrt damit den großen Theaterkollegen. Einar Schleef ist berühmt für seine großen Chöre und Massenauftritte. Er selbst, sagt Peymann, gehörte zu den großen Solisten, ein letzter Höhepunkt der abendländischen Ich-Kultur.
 


► Der Sitz der Seele
Der Körper, heißt es in der griechischen Antike, lebt im GEFÄNGNIS DER SEELE und die Seele im GEFÄNGNIS DES KÖRPERS. In seinem faszinierenden Theaterstück „Schmeiß dein Ego weg!“ bringt René Pollesch solche und ähnliche Irrtümer in eine dynamische Bewegung. Seine Protagonisten und der Chor machen sich auf die Suche. Der Körper ist nämlich die Seele und diese besitzt immer einen Körper. Mit Martin Wuttke, Christine Groß und der großen Margit Carstensen. Begegnung mit René Pollesch.