Neu im Catch-up Service: Tasten, Kleben, Kneten


Dagmar Schmauks über die „Sinnlichkeit der Worte“
Zu den ältesten Sinnen in der Evolution gehört der Tastsinn. Aber auch auf jede andere sinnliche Kraft in uns gründet sich ein Ausdrucksvermögen. In den Worten steckt Sinnlichkeit. Die Wissenschaft der Semiotik, die die Regeln verfolgt, in der die Worte funktionieren, entdeckt in unserer Sprache die gesamte Vorgeschichte der menschlichen Natur. Dabei verhält sich die Sinnlichkeit der Worte vorwiegend konservativ. Im Einzelnen aber ist sie neuerungssüchtig. Konservativ ist sie insofern als es 100 Jahre und mehr dauert bis sich eine neue Erfahrung in Worten festmacht. So weiß heute keiner mehr, dass in dem modernen Wort „hecheln“, die Erfahrung aus der Verarbeitung von Flachs steckt, die kaum einer mehr kennt.
Prof. Dr. Dagmar Schmauks, Technische Universität Berlin, über die Sinnlichkeit der Worte.
► Tasten, Kleben, Kneten (10vor11, Sendung vom 12.09.2016)


Sehen Sie dazu auch auf dctp.tv:

► Bevor der Mensch die Schrift erfand
mensch-vor-erfindung-schriftDie frühesten Spuren unserer Vorfahren, die die Prähistoriker und Archäologen fanden, stammen aus der Zeit vor 7 Millionen Jahren. Eine gewaltige Zeitspanne reicht bis zur Erfindung der Schrift in den frühen Hochzivilisationen am Nil, in Mesopotamien, am Indus und in China. Wir aktuellen Menschen tragen diese Geschichte in uns. Wir sind „Kinder des Prometheus“. Auch wenn es sich um eine für uns schwer vorstellbare Zeitspanne handelt, findet die Entwicklung in markanten Sprüngen statt.
Einer dieser Sprünge ist gekennzeichnet durch die Erfindung des Feuers. Unsere Vorfahren konnten dadurch nicht nur Speisen für den Magen verträglicher machen, also kochen, sie durch Räuchern haltbar machen, sondern das Feuer erleuchtet erstmals die Nächte, um das Feuer herum beginnt das Erzählen. Die Höhlenmalereien werden später zu ersten Schüben der Hochkunst.
Die frühen Menschen gehen dazu über ihre Toten zu begraben, beschäftigen sich mit dem Jenseits. Es entstehen Versammlungsplätze für Ritualfeste. Kooperation und Gruppenbildung sind Errungenschaften, die später Sesshaftigkeit und kulturelle Komplexität nach sich ziehen. Erste Maschinen wie die Speerschleuder, kooperative Jagdpraktiken, Domestizierung von Tieren, z.B. des Ur-Hunds, der Schafe und des Rinds bilden Stationen.
Im gesamten Zeitraum ist die Entwicklung des Homo Sapiens, von dem wir abstammen, und der wiederum vom Homo Erectus sich ableitet, charakterisiert durch eine enge Verbindung zwischen Hand und Gehirn. Der aufrechte Gang setzte die Hände frei. Sie sind künftig dazu da, sich im Fluchtfall zärtlich in die Mutter einzukrallen, sie werden zur Arbeit tauglich: die Fingerspitzen sind so individuell wie das, was in den Köpfen der Menschen sich abspielt.
In der Sage vom Prometheus und dessen schusseligen Bruder Epimetheus berichten die Mythen davon, dass alle Tiere und Naturwesen spezielle Eigenschaften erhielten. Nur der Mensch wurde vergessen. Er wird geboren als Mängelwesen, ohne Raubtiergebiss, nackt und für den Überlebenskampf weniger geeignet als viele andere Tiere. Aus diesem Mangel heraus entwickelten sich seine Eigenschaften. Sie sind reich. Die Anker dieser Errungenschaften liegen weit zurück in den Zeiten, in denen es noch keine Schrift und somit keine Chroniken gab.
Prof. Dr. Hermann Parzinger hat in seinem Buch DIE KINDER DES PROMETHEUS diese lange Periode der menschlichen Evolution auf etwa 900 Seiten beschrieben. Ein Standardwerk. Hermann Parzinger ist zugleich Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, einer Behörde von 2.000 Mitarbeitern, die u.a. für das künftige Humboldt-Forum in der Mitte Berlins verantwortlich sein wird.
Begegnung mit Herrmann Parzinger, aber auch der fesselnden Geschichte unserer unmittelbaren Vorfahren.


► Der Mensch lebt nicht vom Wort allein
mensch-wort-alleinMenschen können mit Hilfe ihrer Kehle zur gleichen Zeit entweder essen oder sprechen. Und doch gehört das Reden beim Essen zu den Konventionen mit hohem Ausdruckswert. Zur Sprache gehören nämlich nicht nur die Worte, sondern vor allem auch die Gesten, die Sitten, die Umstände und die Geselligkeit.
Prof. Dr. Angelika Linke, Sprachforscherin an der Universität Zürich und Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, über die Sprachen der Geselligkeit.


► Freiheit für die Konsonanten
spracheOhne Reform ist die deutsche Sprache nicht mehr zu erlernen. Schon ist das Deutsche keine Weltsprache mehr. Nur radikale Neuerung, sagt der Rechtschreib-Experte Fritz Kleiber, schafft die Chance, auf die alle warten. Es geht um Gleichberechtigung auch für die seltenen Buchstaben und die angemessene Präsenz der Konsonanten.
Peter Berling als Rechtschreib-Experte.


► Über das Schweigen
schweigenVom Unterschied zwischen Pause und Stille. Was nicht sprechen kann, muss singen können oder schweigen. Geschwätzig dagegen sind die Dämonen. Klaus Reichert, Übersetzer und Autor, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, schreibt an einer GESCHICHTE DES SCHWEIGENS.


► Drei Rätsel, die die Welt regieren
drei-raetselEs gibt Gedankenbilder („Ikonogramme“), die stärker sind als alle Worte. Sie bündeln Erfahrungen, die man in Kürze nicht anders als durch solche Bilder ausdrücken kann. Die moderne Kunstgeschichte als historische Bildwissenschaft befasst sich neuerdings verstärkt mit diesen „Rätseln, die die Welt regieren“.
Das gilt z.B. für den Leviathan von Thomas Hobbes (als Symbol souveräner Macht), die Monaden von Leibniz (als Zeichen für das Leben, das die Grundströmung der Welt bildet) und für Darwins Koralle (deren Geäst Darwin als Zeichen für die Darstellung der gesamten Evolution wählte). Horst Bredekamp hat über diese drei Rätselbilder, in denen sich starke Gedankenmassen bündeln, je ein Buch geschrieben.
Prof. Dr. Horst Bredekamp, Humboldt Universität, berichtet.


► Das Tafelsilber der Gedanken putzen
tafelsilberPaolo Fabbri, der Gefährte von Umberto Eco, gehört zu den SEMIOLOGEN. Er interessiert sich für die Unterschiede zwischen den Zeichen und den Realitäten.
Seine Mühe gilt dem, was früher die Philologen (z.B. Nietzsche) taten: Die Worte und die Ausdrucksmittel von Täuschung rein zu halten.
Begegnung mit dem italienischen Philosophen Paolo Fabbri.