Prof. Dr. Peter Berz über DIN-Norm und Maschinengewehr
Der industrialisierte Krieg von 1914 bis 1918 gibt dem JAHRHUNDERT DER INGENIEURE den Charakter. Das Maschinengewehr und die Menschmaschine bilden eine „verrückte Moderne“. Die Produktion mechanischer Massenvernichtungswaffen ist auch die Geburtsstunde der Deutschen Industrie- Norm (DIN).
Prof. Dr. Peter Berz, Universität Wien, berichtet.
► Geburt der Technik aus dem Geiste des Kriegs (10 vor 11, Sendung vom 11.07.2011)
Sehen Sie dazu auch auf dctp.tv
► Nachrichten vom Großen Krieg (1914-1918)
Dieser Große Krieg ist ein Laboratorium bitterer Erfahrung. Das historische Geschehen war lange Zeit durch Propaganda (aller Seiten) und durch den 2. Weltkrieg überlagert. Viele Einzelheiten werden erst jetzt durch neueste Forschungen bekannt.
Der renommierte Historiker Prof. em. Dr. Gerd Krumeich ist einer der Herausgeber der ENZYKOPÄDIE 1. WELTKRIEG. Sein packender Bericht zeigt, wie wenig man von diesem „Unfall der Geschichte“ weiß. Auch die Menschen, die den Krieg auslösten und in ihm kämpften, hatten kein Übersicht. Alle glaubten an einen kurzen Krieg. Sie gingen davon aus, Weihnachten 1914 wieder zuhause zu sein.
Der Krieg ist ein Chamäleon. Nach der ersten Schlacht ergreift dieses Monstrum die Macht über die Menschen. So ziehen sich die Kämpfe von Monat zu Monat bis zum Zusammenbruch der Mittelmächte 1918. In der Somme-Schlacht verzeichnen die Engländer 20.000 Tote an einem einzigen Tag. Aus Hass und Großindustrie entsteht an allen Fronten eine verhängnisvolle Mischung. Das zeigt sich am Gaskrieg. Die positive Erfahrung, wenn man von so etwas sprechen kann, liegt darin, dass seither der Kampfeinsatz von Gas völkerrechtlich geächtet wurde (mit Wirkung bis hin zu Assads Nervengas in Syrien).
Dieser Krieg, mit dem die Politiker und die Generäle nicht zurechtkamen, war zugleich eine Alchimistenküche von Neuerungen. Zu Beginn gibt es auf deutscher Seite 4.000 Funker, am Ende 300.000. Der Anfang gerät in einen Stellungskrieg, am Ende werden bereits die Elemente des Bewegungskriegs und der Panzerschlachten des 2. Weltkriegs vorbereitet.
Gerd Krumeich, der durch die Sendung führt, spricht von „Grammatik der Geschichte“. Es gibt den historischen Konjunktiv (in jedem Moment ist auch etwas anderes denkbar als das, was geschah) und das historische Futur (aber es ist erstaunlich, wie ganz anders die Vorhersagen später eintreffen, obwohl alle Elemente richtig gesehen werden). Man ist bei gründlicher Beschäftigung mit dem Großen Krieg erstaunt darüber, was man alles nicht wusste. Ein faszinierender Erfahrungsschatz.
90 Minuten mit Prof. Dr. Gerd Krumeich (mit dem Grabenlied von Kraud’n Sepp, einem Beitrag von Friedrich Kittler und dem Originaltelegramm der Kriegserklärung von 1914: grotesk verstümmelt).