Heute Abend im TV: "Hallo, hier spricht das Krokodil!" (03.02.2016, 00:45 Uhr bei News & Stories auf SAT1)

Dr. Gertraud Marinelli-König über Kinderbücher in der Russischen Revolution (1920-1930)
In der Zeit des Umbruchs nach 1917 in Russland richtete sich die Hoffnung auf die neue Generation der Kinder. Es erwies sich als schwer, die Erwachsenen in ihrer Masse für die neue Zeit zu gewinnen. Sie waren in der alten Zeit groß geworden, im Bürgerkrieg oft entwurzelt, viele waren Analphabeten. So glaubte man, den neuen Menschen von Grund auf bei den Kindern heranbilden zu können. „Von dem, was Künste und Poetik geben können, ist das Beste gut genug für die Kinder!“
Es entstand eine „revolutionäre Schatzkammer von Kinderbüchern“. Künstler und Poeten wie Daniil Charms, Majakowki, El Lisitzky, Tatlin, Marschak und Ossip Mandelstam schufen Kinderbücher oder beteiligten sich daran. Die Tradition russischer Kinderbücher hat Verbindung zu angelsächsischen Quellen wie „Mother Goose annotated“. Eines der beliebtesten Kindergedichte heißt „Telefon“ und stammt von der Leitfigur russischer Kinderliteratur Kornei Tschukowski. Ein Genosse schläft. Neben seinem Bett, sehr modern und elektrifiziert, steht das Telefon. Es ruft an: der Elefant aus Afrika. Gleich der nächste Anruf kommt vom Krokodil: „Ja, das vom Nil“. Das geht über panikanfällige Gazellen, über Affen („Ihr schickt uns Taschentücher, wir wollen Bücher, wir haben nichts zu lesen!“) bis zu einem traurigen Bären („Da telefonierte der Bär. Warum bist du so traurig, mein lieber Bär?
Da sagte er gar nichts mehr / Er war zu bewegt / Und hat aufgelegt“).
Die Slawistin Dr. Marinelli-König, Akademie der Wissenschaften Wien, über Kinderbücher in der russischen Revolutionsära von 1920 bis 1930.
 
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► Ein Rettungsboot namens Bildung
bildungZu den beliebten Kinderbüchern gehört die „Hasenschule“. Tatsächlich aber gibt es Bildung und Institutionen des Lernens nur in menschlichen Gesellschaften. Der lateinische Begriff für Bildung heißt „Eruditio“: aus dem rohen Holz eine Form herausarbeiten. Dies entspricht einer früheren Vorstellung von Pädagogik. Die modernere Vorstellung hält dem entgegen: Es ist besser, von den Kindern zu lernen. Deren Natur ist reicher als jede Erziehung sein kann. Man soll nicht das Alte einprägen, sondern eine neue Welt entwickeln, heißt es, bei Pestalozzi und bei Rousseau.
Die Romanistin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Verfasserin des Proust-ABC, über das „Rettungsboot namens Bildung“.


► Die Sonne lud den Mond zu Gast
struwwelpeterDr. Heinrich Hoffmann, der Verfasser und Zeichner des STRUWWELPETER war Irrenarzt, Autor und Zeichner in Frankfurt. Er gehörte 1848 dem Frankfurter Vorparlament als Abgeordneter an. Seine Lebenserfahrung und sein Witz erstrecken sich auf das gesamte 19. Jahrhundert. Außer dem STRUWWELPETER publizierte er zahlreiche andere Bücher mit Versen und Zeichnungen.
So beliebt Heinrich Hoffmann bei Kindern ist, so wesentlich sind seine Arbeiten auch für Erwachsene. Sie haben auch politischen Gehalt. In KÖNIG NUSSKNACKER und DER ARME REINHOLD geht es um die Absurditäten der Monarchie, aber auch die Irrfahrten der revolutionären Bewegung. Viele Arbeiten schrieb und zeichnete Heinrich Hoffmann für seine Enkel und sie haben doch Bedeutung für die ganze Welt. Eines seiner letzten Werke heißt BESUCH BEI DER SONNE. Der Mond besucht mit seinen Kindern, den Sternen, die tafelnde Sonne, die bei Hoffmann Symbol des Lebens, aber auch grausam sein kann.
Die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Universität Konstanz, über Dr. Heinrich Hoffmann. Ulrike Sprenger ist auch Verfasserin des PROUST ABC.