Dauerbaustelle Körper – noch nie haben wir so viel an unseren Kurven gemeißelt, auf unser Gesicht gehämmert und an unserer Statik geschraubt wie heute. Der Jahrmarkt der körperlichen Eitelkeiten steht in voller Blüte: Pro Jahr unterziehen sich die Deutschen knapp 200.000 Schönheits-Operationen. Das Marktvolumen liegt bei rund einer halben Milliarde Euro. Über künstlich gewonnene Schönheit soll häufig auch das persönliche Glück gesucht, geformt und gefunden werden. Dafür nehmen Patienten körperliche wie seelische Schmerzen oft billigend in Kauf. Gefragt sind zudem Behandlungen, die schnell, einfach und ohne den Einsatz eines Skalpells sichtbar „verschönern“. Die Dokumentation zeigt, wie weltweit das Thema Körperoptimierung gesehen wird. So sind es im Iran die Nasen, in den USA die Falten und in Asien die Augenlider, die besonders häufig unters Messer geraten. Unter anderem geht der Film der Frage nach, ob ein schöner Körper auch ein gesunder Körper ist und inwieweit darin dann auch ein „gesunder Geist“ steckt.
Dr. Frauke del Bello ist Ärztin für Ästhetische Chirurgie in Berlin. Hier bekommen Kunden im Schlaf ihr Fett weg oder del Bello friert es gleich ganz ein – Coolsculpting nennt sich der neue Trend, bei dem die ungewünschten Pölsterchen schockgefrostet werden und damit dauerhaft verschwinden sollen. Del Bello freut sich über die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach ihren Anwendungen auch bei Männern, ist zum Teil aber entsetzt über die mitunter unrealistischen Wünsche einiger Patienten. In der heutigen Zeit der ständigen Selbst-Bespiegelung via Internet machen immer mehr Menschen über Body-Modifications auf sich aufmerksam. Darunter versteht man eine Vielzahl dauerhafter Veränderungen am menschlichen Körper, zumeist durch schmerzhafte Prozeduren entstanden. Jeder Vierte ist hierzulande tätowiert, Implantate unter der Haut gehören zum guten Ton dieser vermeintlichen Subkultur und vor allem Intim-Piercings erfreuen sich nicht nur unter jüngeren Semestern wachsender Beliebtheit. Was Worte verschweigen, verrät der Körper – SPIEGEL TV dokumentiert, dass Body-Modifications so alt sind wie die Menschheit selbst und spürt die heutigen Motivationen für diese schmerzhaften Prozeduren auf.
Die Wiesbadenerin Angela Vollrath ist besser bekannt als „Miss Barbie“. In den Neunziger Jahren wurde sie vom Boulevard hofiert und unterzog sich knapp 100 Operationen, um der Barbie ähnlich zu sehen. Während die Puppe ewig jung bleibt, kämpft Angela Vollrath vergeblich gegen das Altern an. Zahlreiche Pfuscher und Billig-Anbieter haben Teile ihres Körpers komplett ruiniert. Wegen minderwertiger Silikon-Implantate wäre „Angie“ fast an einer bakteriellen Entzündung gestorben. Trotz allem kann sie nicht mit den künstlichen Eingriffen in ihren Körper aufhören, obwohl sie die Rolle der Barbie eigentlich schon längst nicht mehr spielen mag. In Amerika findet sich die extremere Variante – das Phänomen der „Living Dolls“. Es orientiert sich an Puppen aus der Spielzeugindustrie. Der Chicagoer Justin Jedlica hat sich geschätzten 140 Operationen unterzogen, um so auszusehen wie sein Idol: Die Barbiepuppe „Ken“.
Silikonkissen und Implantate waren gestern – heute steigt die Nachfrage nach natürlicher Körperoptimierung aus sich selbst heraus: So werden in Madrid mittels einer stundenlangen Operation Haare aus dem eigenen Hinterkopf an die kahlen Stellen der Stirn verpflanzt. In Prag wird der Traum vom „Brazilian Butt“, einem ausladenden Hinterteil in Anlehnung an das brasilianische Schönheitsideal, per Unterspritzung durch eigenes Bauchfett in die Tat umgesetzt.
Operation Schönheit – bei den Frauen ist eine Brustvergrößerung noch immer die mit Abstand häufigste Körperoptimierung. Es folgen Augenlidstraffung, Fettabsaugung und Injektionsbehandlungen wie Botox. „Wer schön sein will, muss leiden“ – das gilt mehr denn je auch für Männer: Ihr Anteil an den Schönheits-Operationen beträgt mittlerweile schon stolze 17 Prozent, Tendenz stark steigend. Die Herren der Schöpfung setzen bei ihrem künstlichen Körper-Management vor allem auf Fettabsaugung, Augenlidstraffung sowie Schweißdrüsenverödung.
Die Ästhetisch-Plastische Chirurgie ist längst kein Privileg der „Reichen und Schönen“ mehr, sondern, quer durch alle Gesellschafts-Schichten, endgültig zum stets verfügbaren Konsumgut mutiert. Wer etwas auf sich hält, pflegt und optimiert seinen Körper wie eine Luxus-Karosse – Ersatzteile inklusive. Jeder zehnte Patient nimmt eigens dafür sogar einen Kredit auf. Rund ein Drittel der Body-Tuner ist unter 30 Jahre alt und auch die „Best Ager“ über 60 Jahre legen sich verstärkt freiwillig unters Messer.
Daniel Krause ist erfahrener Star-Tätowierer aus Berlin. Auf der Zwickauer Tattoo-Konvention mischt er sich unters junge Volk und spürt neue Trends auf. Zudem ist er in Australien unterwegs und lässt sich dort neue schmerzhafte Formen der Body-Modifications, wie dauerhaft tätowierte Augäpfel und mit dem Skalpell gestaltete Ziernarben, besser bekannt als Cuttings, zeigen. Krause ist auf einer Mission: Er möchte Tätowieren als Ausbildungsberuf etablieren und mahnt zu mehr Vorsicht bei Hygiene und Pflege in den Studios. Und: Was mache ich, wenn mir ein solches Tattoo nicht mehr gefällt und inwiefern können Tattoos wie Piercings auch ein Gesundheitsrisiko darstellen?
Melanie Weber aus Hamburg gilt als Künstlerin der BodyMod-Szene. In ihrem Studio gehören Play-Piercings, direkt durch die Haut gestochene und mit Ketten verzierte Ringe, sowie blutige Cuttings zu ihrem Spezialgebiet. „Ich liebe es, Wunden zu machen anstatt Wunden zu heilen“, beschreibt die gelernte Krankenschwester ihr Selbstverständnis.
Die Vermessung des eigenen Ichs via Schrittzählern, Gehirnaktivitäts-Messern und digitalen Schlaf-Überwachern liegt voll im Trend. Mit Hilfe dieser Geräte nehmen Self-Tracker wie Philipps Kalwies ihr Körper-Management rund um die Uhr selbst in die Hand – manch einer ist überzeugt, dass diese kleinen Messgeräte schon bald den Arzt ersetzen könnten. Die Cyborgs in Berlin implantieren sich Magnete und Frequenz-Chips unter die Haut. Mit diesen öffnen sie Haustüren, steuern Computer und schreiben eigene Programme. Schon bald werden wir, so prognostizieren Experten, über Brain-Chips reden wie heute über künstliche Hüftgelenke.
„Brutal schön“ – SPIEGEL TV analysiert die gestiegene Sucht nach Körperoptimierungen und lässt diese von kompetenten Experten wie z.B. Ärzten und Psychologen kommentieren. So verrät unter anderem Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy, warum sie nie besser aussah als nach einer Botox-Behandlung, der Kriminalbiologe und begeisterte BodyModder Mark Benecke erzählt, welche Tätowierungen und Magnete er selbst vorzuweisen und welche Arten der Körperverzierungen er schon an Jahrtausende alten Mumien entdeckt hat. VOX-Moderatorin Ruth Moschner gibt zu
Alle Abbildungen: VOX/Spiegel TV
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