Horst Bredekamp über das ikonografische Bild von Karl dem Großen bis Mao Tse Tun
Herrscher und ihre Chronisten entwickeln Bilder, die den Charakter ihrer Herrschaft einprägen. So zeigt sich Mao Tse Tung als Schwimmer im Gelben Fluss. Das Bild ging um die Welt. Aber schon Karl der Große war im 9. Jahrhundert berühmt für seine Schwimmkunst und seine Hofhaltung in den warmen Bädern Aachens, wo er mit 100 Besuchern und Genossen stundenlang im Wasser schwamm oder lagerte. Das Attribut des Fließens, der ungewohnte Aggregatzustand, in dem es auf das Gewicht des Schwimmers nicht ankommt, hat eine starke Suggestiv- und Symbolkraft.
Diese und andere Ikonen und Propagandabilder hat Horst Bredekamp, Literaturwissenschaftler an der Humboldt Universität zu Berlin, zum Gegenstand einer fesselnden Publikation gemacht.
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Literaturempfehlung
Der schwimmende Souverän – Karl der Große und die Bildpolitik des Körpers
In seinem fulminanten neuen Buch liefert Horst Bredekamp einen Schlüssel zum Verständnis Karls des Großen. Ein souveräner Coup über den schwimmenden Souverän!
Wurde Aachen zur Europastadt, weil Karl der Große ein passionierter Schwimmer war? Und was hat Mao Tse- tung damit zu tun? Beide Herrscher verbindet eine Politik des Schwimmens. Indem die politischen Akteure sich schwimmend abbilden ließen, wurde der eigene Körper zum Ausweis von sportlicher Tatkraft, patriarchalischer Fürsorge und Führungsstärke überhöht
– und das Schwimmen zum Hauptelement einer körperbezogenen politischen Ikonologie.
Die Beziehung von Wasser, Körper und Macht setzt sich bis heute fort, beispielsweise in der Inszenierung Wladimir Putins als Unterwasserarchäologe. Als Symbole herrscherlicher Souveränität fungieren auch die Bart- und Haartracht, die Kleidung und die Tiere, mit denen sich Karl der Große umgibt. Dabei spielen furchteinflößende, zu erjagende Bestien eine ebenso große Rolle wie exotische Tiere, die in Gehegen befriedet vom Zuschauer betrachtet werden konnten. Der Löwe steht für Karl selbst. In der stilisierten Darstellung am Bronzeportal des Aachener Doms ist das Raubtier nicht nur gezähmt, sondern aus dem Löwen (dem König der Tiere) ist ein Bote des Friedens geworden.
Bredekamps völlig neue Sicht auf Karl den Großen zeigt, wie aktuell dessen Bildpolitik ist. Karl der Große hat als »Leuchtturm Europas«, wie er von Zeitgenossen genannt wurde, auch dem gegenwärtigen Europa etwas zu sagen: Politik ist elastisch und fluid.
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► Des Kaisers goldene Nase
Als Kaiser Otto III. in Aachen das Grab Karls des Großen öffnen ließ, war dessen Leichnam verblüffend gut erhalten. Überraschend war jedoch, dass Karl saß und nicht – wie zu erwarten gewesen wäre – lag.
Eine Beschädigung an der Nase ließ Kaiser Otto III. sofort durch einen Goldschmied ausbessern. Dafür entnahm er dem Leichnam einen Zahn – eine von später vielen Reliquien des durch Barbarossa heilig gesprochenen Kaisers.
► Der böse Blick
Kafka wurde für „militärfrei wegen Schwäche“ befunden und deshalb von der allgemeinen Mobilisierung ausgenommen. Im August 1914 beginnt er mit der Niederschrift seines Werkes „Der Prozess“.
„Am 2. August 1914, nur wenige Stunden, nachdem die Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts ihren Anfang nahm, verabschiedete sich Kafka von all dem Jubel, den Extrablättern, den Gesängen, den Verlautbarungen, Ansprachen, Gerüchten, Hamsterkäufen, Marschschritten, hastenden Gepäckträgern, von Pferdegetrappel, rollenden Lafetten, sonnenbeglänzten Uniformen, frisch gebügelten Fahnen und weinenden Mädchen. Der Eintrag ins Tagebuch, mit dem er der Welt den Rücken zuwandte, ist berüchtigt: ‚Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. – Nachmittag Schwimmschule.‘ Das war kalt und komisch, doch es war alles, was es zu sagen gab.“
► Darwins Korallen
Die Metapher des „Rhizom“ bezeichnet ein Wurzelwerk. Der „Baum des Lebens“ enthält ein ganz anderes Bild. Für seine Evolutionstheorie hat Darwin nicht dieses Symbol gewählt, sondern das Bild einer Koralle, die er von seiner Reise mit der BEAGLE mitbrachte, in seine Sammlung einfügte und zeichnete.
In Anknüpfung an Darwin sagt Horst Bredekamp, dass Korallen das Absterben und Einwuchern des Überlebens gleichzeitig zeigen. Das Bild der Koralle entwickelt keine Hierarchie, so als entwickle sich das Leben aus Einzellern bis zur Krone des Lebens: den Menschen. Vielmehr, sagt Bredekamp, lateralisiert Darwin. Ein winziger Virus hat die gleiche Chance und Bedeutung wie ein Riesentier oder der Mensch.
► Früh übt sich
Kinder müssen gefördert werden – doch wie viel und ab wann? Immer mehr Eltern glauben an das Prinzip: Viel hilft viel. Das kindliche Gehirn kann Informationen besser verarbeiten als das eines Erwachsenen, es lernt intuitiver und schneller. Von Babyschwimmen über Krabbelgruppen bis hin zur musikalischen Früherziehung – für jeden Knirps gibt es inzwischen den passenden Kurs.
► Die Macht der Bilder
Das weltweite Netz hat unsere Öffentlichkeiten stärker erschüttert als einst Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks. Dabei erhält das Bewegtbild (als Fortsetzung der Filmgeschichte) eine Bedeutung, die das Nachdenken lohnt.
Dr. Bernd Graff, stellvertretender Chefredakteur von sz.online, über die informative Revolution im 21. Jahrhundert.
► Adolf Hitler badet in einem Weiher
In diesem Film ist alles Dokumentarische real und alles Fiktive nicht unbedingt falsch.
Ein Film von Romuald Karmakar