Aus dem Archiv: „Niemand betreibt Theorie ohne Grund“


Der Ausbruch der studentischen Protestbewegung im Juni 1967 (begleitet von den Rebellionen in Paris und in Berkeley) liegt 50 Jahre zurück. Der politische Aufbruch war begleitet durch einen Hunger nach unbekannten Büchern. Der Enthusiast Peter Gente aus Halberstadt gründete aus diesem intellektuellen Aufbruch heraus später den Merve Verlag. Theorie, sagt Felsch, in Anknüpfung an Gente, ist etwas Aktives. Sie unterscheidet sich gründlich von der eher betrachtenden Hochschul-Philosophie. Es geht um Phantasie und Enthusiasmus. Die Renaissance der Theorie in den Jahren nach 1967 stützte sich stark auf die Kritische Theorie und deren Vertreter wie Walter Benjamin, Th. W. Adorno, aber auch auf den neu entdeckten frühen Marx und dessen sogenannte „Pariser Manuskripte“. Als der studentische Protest zu stagnieren begann, ersetzten die frischen neuen Theoretiker aus Frankreich wie Foucault, Derrida, Guattari und Deleuze den Bücherstrom und die Schwarzdrucke der Anfangszeit. Wie ein Scout sucht Philipp Felsch vom Kulturinstitut an der Humboldt Universität die Spuren eines bewundernswerten neugierigen Denkens, dem Menschen wie Peter Gente und Verlage wie der Merve Verlag und die Sachbuchabteilung des Suhrkamp Verlages in der Protestzeit vor 50 Jahren sich widmeten. Geschichte eines „langen Sommers der Theorie“.

► „Niemand betreibt Theorie ohne Grund“ (10 vor 11 vom 26.06.2017)



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