Die Spätantike bringt eine Flut religiöser Texte -Verkündigungen, Evangelien, religiöse Romane – , die sämtlich mit den vier kanonischen Testamenten der Heiligen Schrift konkurrieren. In diesen „verborgenen Texten“ (Apokryphen) findet sich oft eine starke spirituelle Substanz. Die Texte befriedigen aber gleichzeitig ein Unterhaltungsbedürfnis der Leser, das sich auf religiöse Botschaften und Geheimnisse richtet. Der Theologe und Kirchenhistoriker Prof. Dr. Markschies ist Herausgeber der Gesamtausgabe dieser Apokryphen: ein Mammutwerk.
► „Geheime Evangelien in der Spätantike“ (News & Stories von 03.10.2010)
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Die Apokalypse des Abraham ist eine einzigartige, apokryphe (nicht in den offiziellen Heiligen Schriften enthaltene) Quelle in aramäischer Sprache. Sie ist heute nur erhalten in kirchenslawischen Abschriften. Sie zeigt den Stammvater Abraham als Initiator der „Aufklärung“. Täglich fährt er die Götzen seines Vaters zu einem Teich, um ihnen „den Mund auszuwaschen“. Die Götzen fallen ihm von Fahrzeug und zerbrechen. Wie ein Experimentator beobachtet der Stammvater die Szene. Wie sollen Götter, die sich nicht selbst reparieren können, uns das Heil bringen? So gelangt Abraham in dieser APOKALYPSE in mehreren Schritten zur Vorstellung vom „unsichtbaren Gott“.
Der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Joseph Vogl, bekannt durch sein Buch DAS GESPENST DES KAPITALS, kommentiert dieses eindrucksvolle theologische Dokument, von dem man sich wünschen würde, dass Luther es gelesen hätte.
► „Monotheismus und Sprache der Gewalt“
Als es viele heidnische Götter gab, verhielten sich die Religionen der Völker zueinander kommunikativ. Die meisten Götter waren Verwandte. Der Bruch entstand, mit der Erfindung der Idee des EINZIGEN GOTTES. Das war die Geburtsstunde der Unterscheidung von „Wahr“ und „Unwahr“. Aus Ägypten wanderte die Idee des einzigen Gottes in den Nahen Osten und später in andere Teile der Welt. Mit der rigiden Unterscheidung zwischen Wahr und Unwahr entfaltete die Sprache Gottes einen Motor der Gewalt.
Der führende Ägyptologe Prof. Dr. Jan Assmann über den Monotheismus und die Sprache der Gewalt.
► „Glaube in der modernen Welt“
In der Antike koexistierten die verschiedensten Glaubensrichtungen und Religionen nebeneinander in großer Toleranz. Das änderte sich als das Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich wurde und sich wenig später die Reiche des Islam ausbreiteten. Heute, in der globalen Welt, beobachtet man sowohl eine Verhärtung von Glaubensfronten wie auch das Aufkommen der verschiedenartigsten lokalen Religionen. Einige dieser Gemeinden in den U.S.A. und in Lateinamerika besitzen starke Anhängerschaften. Dabei gibt es dort lokal entstandene Glaubensgemeinschaften, die sich anschließend an ganz anderen Orten der Welt, z.B. in der Ukraine, ausbreiten.
Der Religionssoziologe Prof. Dr. José Casanova, Georgetown University in Washington, ist einer der bedeutendsten Experten für die Fragen zu Religionen, der Säkularisierung, des Verhältnisses von Staat und Glaubensgemeinschaften und für die Geschichte der Glaubensrichtungen. Man wird, sagt er, den Eigensinn und die Eigenschaften des Glaubens in der modernen Welt nur verstehen, wenn man die Fragen sowohl global wie auch lokal beobachtet. „All religions are local“. „Religion ist global“.