Zum 1. Todestag von Michael Gielen




Vor einem Jahr verstarb der Dirigent, Komponist und Adorno-Preisträger Michael Gielen. Vor Hitlers Häschern mußte er als junger Mann nach Argentinien fliehen. Mit seiner legendären Intendanz der Frankfurter Oper setzte er, in die Bundesrepublik zurückgekehrt, ein singuläres Beispiel für Modernes Musiktheater. Michael Gielen war das Äquivalent der „Frankfurter Kritischen Theorie“ in der Musik. Ein Mann des 21. Jahrhunderts! Was „Orchesterperspektiven“ sein können und wie man Musiktheater mit den Mitteln des Films verbinden kann, hate Alexander Kluge von ihm gelernt. In dem Kulturmagazin „Das Tempo ist das A und O“ sieht man Michael Gielen an der Arbeit bis in die jüngste Zeit.

► Michael Gielen Themenschleife


Sehen Sie dazu auch auf dctp.tv

► Das Schicksal in seiner Wut

Die MACHT DES SCHICKSALS, Melodramma in 4 Akten von Giuseppe Verdi, ist ein radikales Stück. Oft wurde versucht, diesen anarchischen Bilderbogen, der für Frieden wirbt und zugleich den Krieg feiert, im humanistischen Sinne zu verbessern. Das gelang nie. Es bleibt bei der „Macht des Schicksals“. Aus einer einzigen Szene am Anfang entwickelt Verdi einen Bogen der Gewalt, dem zuletzt alle Beteiligten: der Inka-Prinz Alvaro, der Bruder der Leonora und zuletzt Leonora selbst zum Opfer fallen. Eine imposante Neu-Aufführung dieses Werkes an der Staatsoper Unter den Linden, Berlin. Musikalische Leitung: Michael Gielen. Eine Inszenierung des norwegischen Regisseurs Stefan Herheim. Intendanz: Peter Mussbach.


► „Sachlichkeit als Luxus“

Der Dirigent, Komponist und Opernchef Michael Gielen probt mit der Sängerin Ellen Shade, die die Rolle der Sieglinde aus dem Musikdrama DIE WALKÜRE von Richard Wagner studiert hat, und von der Metropolitan Opera in New York herangereist ist. Sie bringt Gewohnheiten des internationalen Gesangsgeschäftes mit. Einige dieser Gewohnheiten werden zugunsten von Sachlichkeit und musikalischer Genauigkeit in der Probe sukzessiv abgebaut. Gründliche Arbeit: Musik ist nämlich keine Dienstleistung, sondern Luxus, sagt Michael Gielen. „Sachlichkeit als Luxus“ – ein Portrait des Adorno-Preisträgers Michael Gielen.


► Auf deinen Scheiterhaufen, oh Norma, will auch ich verbrennen

Man sieht Gallier in den Wäldern ihres Landes, an den geheimen Versammlungsstätten der Mondgöttin Irminsul. Es geht um den Kampf gegen die Römer. Über Krieg und Frieden hat die oberste Druidin, NORMA, zu entscheiden. Diese Priesterin der Mondgöttin befindet sich in einem inneren Konflikt. Sie liebt heimlich den römischen Prokonsul, von dem sie (die Kraft Amtes zur Keuschheit verpflichtet ist) zwei Kinder besitzt. Der verräterische Prokonsul liebt inzwischen eine Jüngere. NORMA stellt sich dem Geschick. Sie selbst verurteilt sich zum Scheiterhaufen. Im letzten Augenblick tritt der untreue Geliebte zu ihr: „Auf deinem Scheiterhaufen, o Norma, will auch ich verbrennen!“

Michael Gielen ist für seine Interpretation der Musik Wagners, Beethovens, Schönbergs und Ligetis berühmt. In der Staatsoper Unter den Linden Berlin hat er erstmals eine italienische Belcanto-Oper dirigiert. Er entwickelt mit Souveränität die Noblesse, die in Bellinis Partitur steckt. Wer das absolute Gegenteil von Kitsch erleben will, muss diesen herrlichen Melodienbögen, so wie sie Michael Gielen herausarbeitet, zuhören.


► „Die ersten 140 Takte der Walküre“

Die ersten 140 Takte der Walküre sind ein berühmtes Orchestervorspiel: Unwetter, Blitz. In einer wüsten Waldgegend flüchtet ein Mensch. Verfolger in der Ferne. Die Filmregisseure, die an unserem Fernsehprogramm mitarbeiten, werden im Laufe der Zeit jeder eine Bildsequenz zu dieser Musik herstellen. In unserer Sendung sind 5 solcher Montagen zu sehen; gleichzeitig als Widmung für das abgebrannte Frankfurter Opernhaus. Es spielt das Frankfurter Opernhaus und Museumsorchester. Michael Gielen, Chefdirigent und Komponist, erläutert den musikalischen Zusammenhang der 140 Takte. „Die ersten 140 Takte der Walküre“. Ein imaginärer Opernführer.