Ein Heide als Glaubensreisender
Goethes WESTÖSTLICHER DIWAN ist ein Beispiel für POETISCHE POLITIK UND DIPLOMATIE. Es geht um die Wiedergutmachung der Kreuzzüge durch poetische Annäherung an den Orient. Bloße Toleranz, sagt Goethe, ist beleidigend.
Dr. Manfred Osten berichtet.
► Goethe als Muselmann (Primetime vom 28.07.2002)
Im August 1819 erschien der „West-östliche Divan“. In Goethes Gedichten spiegelt sich seine Überzeugung, dass sich unterschiedliche Kulturen begegnen und verstehen können – auch heute 200 Jahre nach der Veröffentlichung ein topaktuelles Thema.
„Wer sich selbst und andre kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.“
So heißt es in Johann Wolfgang von Goethes berühmter Gedichtsammlung „West-östlicher Divan“, die im August 1819, vor 200 Jahren, erstmalig erschien.
► 200 Jahre „West-östlicher Divan“ (Deutschlandfunk Kultur ZEITFRAGEN, Beitrag vom 02.08.2019)
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► Goethe verhindert eine Lynchjustiz
Nach der Schlacht von Valmy hatte die französische Revolutionsarmee den „Pfaffenwinkel“ (die rheinischen Kurfürstentümer) überrannt und die Stadt Mainz besetzt. In der Stadt wurde unter französischer Anleitung eine Republik verkündet und ein deutsch-rheinischer Nationalkonvent begründet. Die deutschen Revolutionäre nannten sich Jakobiner oder Clubbisten (weil sie in politischen Clubs tagten). Von einer österreichischen und einer preußischen Armee wurde Mainz dann belagert. Als es zur Kapitulation kam, mussten die französischen Truppen abziehen. Den zivilen Revolutionären in der Stadt drohte die Rache der aus der Stadt vertriebenen Gegenrevolutionäre.
Goethe nahm an prominenter Stelle als Beobachter an der Belagerung teil. In einem konkreten Fall, so berichtet er, warf er sich unter Lebensgefahr einer Menschenmenge entgegen, als diese einen der Jakobiner massakrieren wollte. So beschreibt er es jedenfalls in seinen Memoiren, die er Jahrzehnte später veröffentlichte.
Gustav Seibt, Historiker, Autor im Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin und, hat Goethes Präsenz bei der Kapitulation von Mainz eine spannende Untersuchung gewidmet.
► Die himmlische Urschrift
Koran heißt arabisch „Lesung“. Die moderne arabistische Forschung geht davon aus, dass der heiligste Text des Islam aus einem Prozess des Dialogs in der ursprünglichen Gemeinde und aus verschiedenen Mitschriften entstand. Auch zeigt sich der Koran vielfältig vernetzt mit jüdischen und christlichen theologischen Debatten der Spätantike. Der Koran antwortet darauf, weist zurück und nimmt am Dialog teil. Die Islamforscherin Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, eröffnet in ihren Publikationen einen europäischen Zugang zum Verständnis des Hauptwerks des Islam.
► Goethe als Japaner
Scham- und Schuldgefühle gehören für Goethe zu den Untugenden, die man vermeiden soll. Er ist skeptisch gegenüber der Vergangenheitsbewältigung. Diese Haltung, sagt der Japankenner Dr. Manfred Osten, ist einer der Gründe, warum Goethe in Japan überaus populär ist und als aktuell gilt. Goethes Biographen sprechen von einem ostasiatischen Einschlag in Goethes Seele, evtl. Überbleibsel einer Wiedergeburt.
Dr. Manfred Osten berichtet.