Neu im Catch-up Service: Jedes Tischtuch erzählt


Uwe Walter: Wie die Seele in den Medien ihre Wege sucht
Erfahrene Medienexperten wissen, dass Menschen nicht nach nackter Information hungern, sondern dass sie alle Informationen gut erzählt haben wollen. Bei solchem Erzählen sprechen im Menschen viele Stimmen miteinander, oft ist es ein Chor. Das ist die Musik, von der die menschliche Seele sich nährt.
Man beobachte, wie eine selbstbewusste Frau wie Scarlett O`Hara, die der Roman Vom Winde verweht  beschreibt, mit ihren Erfahrungen umgeht. Sie fühlt sich nicht als Zuschauerin ihres Lebens, sondern als dessen Produzentin. Dieses Leben ist ihr so wichtig, dass sie sich nicht auf sich allein verlässt. Sie richtet also ihr Interesse auf das, was ihr Idol, der junge Mr. Ashley, denkt, ein Mann aus einer ganz anderen, vornehmeren Gesellschaftsschicht. Und außerdem spricht in ihr die Stimme des Abenteurers Rhett Butler, der später ihr Mann sein wird. Man würde dessen Stimme heute der Zielgruppe der technischen Intelligenz zurechnen. Meist streitet sie mit dieser inneren Stimme, wie sie auch in ihrer Ehe mit ihm Debatten führt.
Es sind also drei verschiedene innere Stimmen, mit denen das Erzählen in Scarlett O`Hara anfängt. Diese Art von Erfahrungsverarbeitung auf der erfolgreiches Erzählen beruht, ist bei jedem Menschen anders. Fast nie ist es eindimensional.
Wenn in den Medien Menschen zappen oder surfen, ist das der Versuch der Seele, sich ihre eigenen Wege zu bahnen. Auch wenn der Abend dann Enttäuschung bringt, weil nichts zu finden ist, wird die Seele ihre zielsichere Suche nicht aufgeben. Oft ist es dabei eine Nebensache, die mit der sogenannten „Handlung“ oder der „Nachricht“ nichts zu tun hat, die die Phantasie belebt und nährt. In diesem Sinne behauptet der Mediencoach Uwe Walter: „Jedes Tischtuch erzählt“.
► Jedes Tischtuch erzählt (10 vor 11, Sendung vom 13.11.2017)


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► Storytelling
Seit die Menschen das Feuer erfanden, haben sie sich auch miteinander niedergesetzt und angefangen zu erzählen. Im Erzählen verbinden sich die Tatsachen und Realitäten mit den Gefühlen und Wünschen. Menschen tauschen dabei nicht nur Informationen aus, sondern verbringen miteinander ein Stück Lebenszeit.
Die Traditionen des Geschichtenerzählens sind uralt. Zu den Geheimnissen des Geschichtenerzählens zählt vor allem die sogenannte „Heldenreise“. Wie stieg die bewunderte Heldin oder der Held auf? Wie kam es zu seinem Sturz oder Tod? Was war mit den Gefährten, die sie schützten, warnten, ihnen den Rücken freihielten? Wohin überhaupt ging die Reise? Solche Geschichten erzählen nicht nur die Religionen und die Epen Homers. Sie sind vielmehr in jeder Gegenwart präsent. Die Filme von George Lukas bringen solche uralten und doch immer neuen Geschichten in einen „gefühlten Zusammenhang“.
Der Medienberater Uwe Walter liebt und beherrscht diese Kunst des Storytelling in hohem Maße. Sie gilt für Literatur, Wissenschaft, Alltag und Krisenzeiten gleicherweise. Unser menschliches Gehirn, sagt Uwe Walter, ist eine „aggressive Sinn-Such-Maschine“. Scheinbar lässt sie sich mit bloßer Information füttern. Dieses Gehirn steckt aber im Körper. Und der gehört dem ganzen Menschen. Und diesem geht es immer auch um ein „inneres Feuer“. Die Seele, das stellt Uwe Walter in den Mittelpunkt, ist nicht linear. „Die Seele sucht sich ihren Weg wie ein Fluss.“ Medien tun gut daran, wenn sie in ihrer Erzählung sich auf diese menschliche Bedingung einlassen.
Begegnung mit Uwe Walter. Spannend und informativ.


► Die Macht der Sprachbilder
Politisches Framing und neurokognitive Kampagnenführung
Elisabeth Wehling
Quelle: re:publica (CC BY-SA 3.0 DE)


► Der Autor als Anwalt der Zukunft
Das Genre des kommerziellen Science-Fiction-Romans erfindet Welten, in die die Phantasie auswandern kann: Exodus aus Wirklichkeit und Gegenwart. Die großen Poeten dagegen, wenn sie sich mit Zukunft befassen, spiegeln die Gegenwart, indem sie von zukünftigen Verhältnissen berichten. Großmeister in dieser authentischen Form des Zukunftsromans ist der polnische Dichter Stanislaw Lém. Über die Gegenwart Polens darf er (wegen der Zensur) nicht viel erzählen. Also hat er die wohl besten Science-Fiction-Romane der Welt geschrieben. Zum Beispiel SOLARIS, die Geschichte einer Sonne, die ein Lebewesen ist oder die vielen Geschichten vom Raumpilot Pirx. Ganz anders in der Formulierung, aber parallel in der Authentizität des Poetischen: Arno Schmidt. Seine Gelehrten auf dem Mond und der Held seines Romans SCHWARZE SPIEGEL, der die Katastrophe des Kalten Kriegs überlebte, gehören zu den Meisterwerken des phantastischen Realismus.
Der Literaturwissenschaftler Dr. Bernd Flessner berichtet.


► Ingrid Brodnig – Warum Lügengeschichten gut funktionieren
Die Psychologie hinter Fakes: Wie wütende User und obskure Blogs Unsinn im Netz verbreiten, wieso dies so wirkungsvoll ist und was wir dagegen tun können.
Ingrid Brodnig
http://www.profil.at/
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(CC BY-SA 3.0 DE)


► Begehren, das die Welt regiert
Es gibt keine Objektivität jenseits des Begehrens. Das ist der Hauptsatz des antiken Dichters Ovid („Metamorphosen, die Liebeskunst“). Das sagt genauso der Erfinder des Romans des 20. Jahrhunderts, Marcel Proust: Alles öffentliche Geschehen löst sich bei näherer Betrachtung in Liebesgeschichten auf.
Die Verfasserin des Proust-ABC, Dr. Ulrike Sprenger, stellt die scheinbare Subjektivität des Sünders Clinton in die Perspektive Prousts („Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“) und Ovids.