Heute Abend im TV: Vom Kampf der Liebe in hasserfüllter Welt – DOPPELPROGRAMM (15.11.2016, 00:45 Uhr bei News & Stories auf SAT1)

Vincenzo Bellinis Meisterwerk I PURITANI an der Staatsoper Stuttgart
Im Winter 1835 haben in Paris zwei sensationelle Opern Uraufführung: DIE JÜDIN von Jacques Fromental Halévy und I PURITANI von Vincenzo Bellini. Beide handeln in einer Welt des religiösen Fanatismus: die eine 1414 im Kampf zwischen Christen und Juden, die andere in der Zeit, in der Cromwell den König von England enthaupten ließ (1649). Diese Puritaner haben in England das Parlament und die Armee hinter sich gebracht. Sie haben in den Kirchen die Bilder zertrümmerte und Buntheit, Sinnlichkeit und Lebenslust aus der Gesellschaft verbannt. England im Protest. Ein Brexit auf dem Gebiet der Religion.
In Bellinis Meisteroper geht es um ein junges Mädchen voller Lebenshunger. Sie ist die Tochter eines Chefs der Puritaner. In ihrem Kopf hat sie Geschichten von Prinzen, Rittern und den Drei Musketieren. Sie wünscht sich einen königlichen Kavalier. Der steht plötzlich (gegenüber den Puritanern verkleidet) vor ihr. Die Hochzeit wird vorbereitet. Da muss aufgrund einer Intrige dieser Kavalier, genannt Lord Arturo, fliehen. Elvira, das junge Mädchen, verfällt in Wahnsinn.
Oberst Riccardo, ein fanatischer Puritaner, ist auf Elvira gierig und eignet sich die junge Frau an. Elvira durchlebt ein Martyrium. Zugleich bleibt sie widerspenstig, hartnäckig ihrer Liebe zu Arturo verfallen, und am Ende siegreich: Der geliebte Mann kehrt zurück. Je verrückter die Puritaner sich aufführen, desto mehr gewinnt Elvira ihren Verstand zurück.
Bellini hat wie schon in seiner LA SONNAMBULA (die Schlafwandlerin), eine Traumoper geschaffen. Es ist seine letzte und größte Oper, ehe dieses Genie im Alter von 34 Jahren stirbt. Die Staatsoper Stuttgart hat dieses selten gespielte Werk in ein neues, ganz modernes Gewand gekleidet. Bühnenbild und Kostüme: Anna Viebrock. Regie führen der Intendant Jossi Wieler und sein Chefdramaturg Sergio Morabito. Es geht um einen Kampf. Die großartigen Melodienbögen Bellinis ringen mit der kalten, abweisenden Welt des religiösen Fanatismus.
Bei Bellini werden die Puritaner nicht historisch dargestellt, wie in der Vorlage, die auf Sir Walter Scott zurückgeht. Die Inszenierung holt das nach und fügt zur Oper die Zeitgeschichte der Dramatik wirksam hinzu. Den religiösen Fanatikern unserer Jetztzeit, z. B. in Syrien, stehen die „Besessenen“ des 17. Jahrhundert in England in nichts nach. Aus dem Geist dieses Sektierertums kommen aber auch die Pilgerväter, welche die USA mitbegründeten. In weltlicher Form wird der Calvinismus (von dem 2017 unter dem Motto „500 Jahre Reformation“ weltweit die Rede sein wird) in Amerika zu einem Teil des Selbstbewusstseins der westlichen Zivilisation in der Stoßrichtung Freiheit und Wertegemeinschaft.
Alles dies wird in der Stuttgarter Inszenierung lebendig ausgebreitet in den großen Chören, den mit den Ensembleauftritten verbundenen Duetten, Terzetten und Quartetten. Niemand hat je Vincenzo Bellinis in solcher Musik übertroffen.
Überragender Mittelpunkt ist der Sopran der Ana Durlovski. Die junge Mazedonierin singt, spielt und tanzt die Rolle der Elvira wie sie noch nie zu sehen war: vom Leben leicht verführbar, aber unbestechlich in der Liebe. Das Paar Lord Arturo und Elvira verfügt über die schönsten Liebesduette der Opernliteratur.
Ein Doppelprogramm von 90 Minuten.
 
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