Prof. Dr. Walther Bernecke über ein Land, dem die Hälfte der Welt gehörte
Lusitanien, die ehemals römische Provinz am Atlantik, kommt schon im Hochmittelalter zu neuer Bedeutung. Wenig später ist das Königshaus über ganz Europa mit den führenden Familien versippt. Dabei bleibt das Gelände, das später Portugal heißen wird (anders als viele andere europäische Länder), ein in sich geschlossenes, mit sich selbst identisches Gebilde.
Mit dem Fürsten und Unternehmer Heinrich dem Seefahrer und mit Vasco da Gama beginnt eine Eroberung der Welt zur See. In einem vom Papst garantierten Vertrag wird die damals bekannte Welt in zwei Hälften aufgeteilt: die eine gehört zum spanischen, die andere zum portugiesischen Reich. Die Grenzziehung kann man heute noch in Lateinamerika verfolgen, wenn in Brasilien portugiesisch, in den übrigen Teilen des Kontinents spanisch gesprochen wird. „Sebastian, der Ersehnte“, der aus einer grässlichen Niederlage in Marokko nicht zurückkehrt, gehört zu den markanten Zeichen von Portugals tausendjähriger Geschichte ebenso wie das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755 und die aufgeklärt-autokratische Herrschaft des Marquis de Pombal, der Exodus des königlichen Hofes, als Napoleons Armeen vor Lissabon stehen, nach Brasilien.
Die von England diktierte imperiale Arbeitsteilung lässt Portugal die Industrialisierung versäumen. Für verblüffende und dramatische Wendungen wie die Nelken-Revolution ist Portugal auch in der Moderne immer noch gut. Bewundernswert, wie die Schuldenkrise von diesem Land gemeistert wurde.
Prof. Dr. Walther Bernecke, Historiker an der LMU München, berichtet.
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► Das Land der 1.000 Inseln
Griechenland besteht in seiner Geschichte seit der Antike und in seiner Gegenwart nicht bloß aus der Hauptstadt Athen, dem Festland und dem Peleponnes, sondern vor allem aus seinen 1.000 Inseln: „Nichts ist so verschiedenartig wie die Einzelteile des griechischen Archipels“.
Die adriatischen Inseln im Westen gehörten früher zum Einflussbereich Venedigs. Sie haben eine andere Musik, andere Sitten, andere Bauweise und andere Gemeinwesen und Clans als die Inseln in Ägäis. Auch von diesen unterscheidet sich fast jede von den anderen. Geht man nicht von einem Einheitsurteil (meist einem Vorurteil) über Griechenland aus, sondern untersucht die einzelnen Regionen in Geschichte und Gegenwart, erhält man auch für die Lösung der Probleme des Landes einen besseren Blick. Dem Bürgermeister von Thessaloniki sind zum Beispiel Reformen gelungen. Die Riesenstadt Athen sucht Rat bei diesem Politiker für die eigenen Probleme. Athen selbst bildet als Megalopolis einen scharfen Gegensatz zu den agrarischen Regionen des Landes. In dieser Hinsicht erweist sich das Phänomen Griechenland als ein prismatisches Gebilde.
Joannis Zelepos, LMU München, berichtet über die Vielfalt Griechenlands.
► Die Eidgenossen
Im Herzen Europas gelegen ist die Schweiz dennoch kein Mitglied der Europäischen Union. Das hat auch historische Gründe. Die Nationalstaaten Europas entstanden in ihrer Mehrheit aus Monarchien. Der Begriff des Staates funktionierte von oben nach unten über Beamte, Finanzen und Militärs. Drei Gemeinwesen hoben sich vor der Französischen Revolution davon ab: die Republik Venedig, die Republik der Vereinten Niederlande (nach dem Freiheitskampf gegen Spanien) und die Eidgenossenschaft. Von diesen überstand nur die Schweiz die napoleonische Epoche als Republik und blieb danach in den Konflikten Europas neutral.
Bis dahin hatte dieses aus Kantonen zusammengesetzte Gemeinwesen seine Eigentümlichkeiten lange im Rahmen, aber allmählich auch in Abgrenzung zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation entwickelt. Einige Qualitäten, die gerade die Modernität der Schweiz ausmachen, haben ihre Wurzel in diesen sehr alten politischen Formationen: Gemeindeautonomie und Föderalismus, das Konkordanzprinzip, das ländliche Selbstverständnis, die demokratische Mitsprache und die weltweite Vernetzung.
Endgültig ein Nationalstaat und eine geschlossene Einheit wurde die Schweiz erst durch Napoleon und durch die Schweizerische Bundesverfassung von 1848. Doch noch immer gilt: „Schwache Regierung, starke Verbände“.
Ein solches Laboratorium einer weltläufigen Sonderentwicklung mit starken Kontinuitäten zu den reichsfreien Städten und Genossenschaften des Mittelalters lohnt es sich zu studieren, gerade in einem Europa der Krisen.
Prof. Dr. Thomas Maissen, Schweizer Historiker an der Universität Heidelberg und seit September 2013 Direktor des Deutschen Historischen Instituts Paris, über seine kompakte Geschichte der Schweiz und sein spannendes Buch über die GEBURT DER REPUBLIK.
Spannend und informativ.