Stansilaw Lems und Arno Schmidts utopische Romane
Die utopischen Romane und die Phantasierichtung von E.A. Poe, Jules Verne, Stanislaw Lem und Arno Schmidt unterscheidet sich grundlegend von den Science-Fiction-Ideen in STAR WARS, der PERRY RHODAN Serie oder anderen Phantasien, die sich auf den Weltraum beziehen. Die Linie Lems und Schmidts bleibt auch im Fiktiven Science, die Projektionen bekannter irdischer Konflikte in die Sternenwelt dagegen, wie sie der kommerzielle Science-Fiction-Roman und der Hollywood-Film betreibt, sind dagegen Fiction ohne Science.
Stanislaw Lem und Arno Schmidt entdecken in den Erfahrungen ihrer Gegenwart die Stoffe, die dann in ihren utopischen Romanen ins Leben treten: „Die Zukunft entsteht mitten in der Gegenwart“. Und es sind Katapulte der Emotionen in der Vergangenheit, aus denen auch in der Realität (nicht nur in den Romanen) die Zukunft entspringt. In dieser Hinsicht sind alle Zeiten, einschließlich der Kategorie der Möglichkeit, die alle Zeiten begleitet, durch eine gemeinsame Grammatik verbunden.
Man kann die brillanten Romane Stanislaw Lems als eine Kartierung der Realität und nicht bloß als Phantasien lesen. Das Gleiche gilt für Arno Schmidt in seinen Romanen „Schwarze Spiegel“ und „Kaff oder Mare Crisium“. Wie nahe Arno Schmidts Darstellungen eines Dritten Weltkriegs sind, zeigt sich nachträglich an den Realitäten des Jahres 1983, in dem sich der Kalte Krieg um ein Haar in einen „heißen“ Atomkrieg verwandelt hätte.
Dr. Bernd Flessner, Universität Nürnberg, gehört zu den besonderen Kennern jener Science-Fiction-Literatur, die die realistischsten Romane des 20. Jahrhunderts schrieb: des Werks von Stanislaw Lem und Arno Schmidt. Ein Alien in Form eines ganzen Planeten wie in Lems „Solaris“ und ein Realist wie der Raumpilot Pirx gehören zu den besten literarischen Spiegeln, die es in unserem Zeitalter (also auch für das 21. Jahrhundert) gibt.
Begegnung mit Dr. Bernd Flessner, Zukunftsforscher und Literaturwissenschaftler.
► Die Zukunft steckt mitten in der Gegenwart (News & Stories, Sendung vom 10.02.2016)
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► Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt
Im Jahre 1910 wurde ein Buch herausgegeben, das die Welt im Jahre 2010 beschreibt. Berühmte Experten wirkten mit. Das Handy und der Kalte Krieg wurden richtig vorausgesagt. Dass vier Jahre später der Erste Weltkrieg das Geschehen abrupt unterbricht, nahm keiner an.
► „Hallo, hier ist das Krokodil!“
In der Zeit des Umbruchs nach 1917 in Russland richtete sich die Hoffnung auf die neue Generation der Kinder. Es erwies sich als schwer, die Erwachsenen in ihrer Masse für die neue Zeit zu gewinnen. Sie waren in der alten Zeit groß geworden, im Bürgerkrieg oft entwurzelt, viele waren Analphabeten. So glaubte man, den neuen Menschen von Grund auf bei den Kindern heranbilden zu können. „Von dem, was Künste und Poetik geben können, ist das Beste gut genug für die Kinder!“
Es entstand eine „revolutionäre Schatzkammer von Kinderbüchern“. Künstler und Poeten wie Daniil Charms, Majakowki, El Lisitzky, Tatlin, Marschak und Ossip Mandelstam schufen Kinderbücher oder beteiligten sich daran. Die Tradition russischer Kinderbücher hat Verbindung zu angelsächsischen Quellen wie „Mother Goose annotated“. Eines der beliebtesten Kindergedichte heißt „Telefon“ und stammt von der Leitfigur russischer Kinderliteratur Kornei Tschukowski. Ein Genosse schläft. Neben seinem Bett, sehr modern und elektrifiziert, steht das Telefon. Es ruft an: der Elefant aus Afrika. Gleich der nächste Anruf kommt vom Krokodil: „Ja, das vom Nil“. Das geht über panikanfällige Gazellen, über Affen („Ihr schickt uns Taschentücher, wir wollen Bücher, wir haben nichts zu lesen!“) bis zu einem traurigen Bären („Da telefonierte der Bär. Warum bist du so traurig, mein lieber Bär?
Da sagte er gar nichts mehr / Er war zu bewegt / Und hat aufgelegt“).
Die Slawistin Dr. Marinelli-König, Akademie der Wissenschaften Wien, über Kinderbücher in der russischen Revolutionsära von 1920 bis 1930.
► Space Opera
Der Komponist Bernhard Lang über seine alte Liebe: Die klassische Space Opera, die dekonstruktivistische New Wave Science Fiction und den Kollaps der Utopie.
► Es geht nichts über Reparaturerfahrung
Für die Märkte und auch für erfindungsreiche Ingenieure ist die Neuerung, die Neuanschaffung, das Wegwerfen des Alten ein Ideal. In Notzeiten (nach Ende des 2. Weltkriegs bei uns im Jahre 1945 zum Beispiel) weiß man das Gegenteil zu schätzen: die Reparaturerfahrung. Sie ist heute der einzige Weg, sagt Prof. Dr. Heckl, der das größte Technikmuseum Europas leitet, aber persönlich auch eine Reparaturwerkstatt besitzt, das in ein technisches Gerät eingebaute Wissen selber zu erfahren. Produkte, in denen der Zugang zur Reparatur (wie heute üblich) künstlich versperrt wird, damit man sie bei Versagen wegwirft und neue erwirbt, verdummen den Nutzer.
Das PRINZIP REPARATUR liegt der gesamten Evolution zugrunde. Prof. Dr. Heckl ist Nano-Physiker. In der Physik der Elementarteilchen und in dem sich darauf aufbauenden Leben sind intelligente Reparaturmechanismen versteckt ohne die nichts Lebendiges entstünde und nichts Biologisches sich erhalten könnte. Es gibt deshalb eine „Philosophie des Reparierens“, die bis zum Charakter vordringt und mit bloßem Konservativismus nicht verwechselt werden soll.
Begegnung mit Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl, Direktor des Deutschen Museums München.