Die ostchinesische Eisenbahn im Streit zwischen Russland, Japan und China
Es ist wenig bekannt, dass der 2. Weltkrieg nicht erst im September 1939, sondern 8 Jahre früher in der Mandschurei als Krieg zwischen Japan und China ausbrach. Zum gefährlichen Machtdreieck zwischen Japan, China und Russland im Fernen Osten gehörte als Rückgrat und als Symbol das Projekt der ostchinesischen Eisenbahn. Ursprünglich war sie ein Ableger der Transsibirischen Eisenbahn und in russischem Besitz. Sie bildete mit der Transsib ein „T“, das bis Port Arthur reichte. Alles das ging als Folge des für Japan siegreichen Kriegs gegen Russland im Jahr 1904 verloren. Die Bahntrasse ging später in japanischen Besitz über und gehörte zum Projekt der Moderne im „Wilden Osten“, der Mandschurei. Was heute von Silicon Valley erwartet wird, wurde damals von dem Gelände rechts und links dieser Eisenbahnstrecke erwartet. Auf ihr zuckelten von Dampflokomotiven gezogene traditionelle russische Waggons, während auf den Gleisen gegenüber der legendäre japanische Asia-Fernexpress dahinjagte. Im verglasten Salonwagen dieses futuristischen Zugs (mit Blick vom Heck) hatte man eine Aussicht wie aus einem Raumschiff.
Dr. Sören Urbansky, LMU München, berichtet über Eisenbahntrassen und Imperien: das Projekt der Moderne im „Wilden Osten“.
► Das Projekt der Moderne im „Wilden Osten“ (10vor11, Sendung vom 16.11.2015)
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► Unterwegs nach Ninive
Die vom Deutschen Reich, der Deutschen Bank und mit Unterstützung des Osmanischen Reichs vorangetriebene Bahnlinie von Berlin über Wien, Budapest, Konstantinopel, Ninive, Bagdad nach Basra war ein gefährliches Streitobjekt, da Großbritannien und Russland sich durch dieses Projekt in ihren Interessen bedroht sahen.
Diese Bahn wurde vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht fertiggestellt. Der Bahnbau zeigt einen intensiven Lernprozess der Projektbetreiber. Sie fingen den Bau an nach den Normen der Preußischen Hochbaubehörden. Die Bahnhöfe in Backstein sahen aus wie in Bielefeld. Streiks der Arbeiter und öffentliche Nichtakzeptanz dieser Bauweise belehrten die Verantwortlichen, dass man sich an das fremde Land anpassen müsste. So wurden ab einem bestimmten Teil der Strecke in Anatolien orientalisch kostümierte Bahnhöfe hingestellt. Der Bahnbau war begleitet durch lebhafte Ausgrabungstätigkeit der vorchristlichen babylonischen Kultur. Nach der ursprünglichen Planung hätte die Bahnstrecke direkt durch das Stadtgelände des antiken Ninive und das dazugehörige Tor geführt.
Dr. Peter H. Christensen, Stadt- und Zivilisationsforscher, Universität Rochester (NY), berichtet über das Projekt der Bagdad-Bahn und die kulturellen Aspekte, die diesen Bau begleiten.
► Die schönste Alpenbahn
Vor über hundert Jahren, gleich nach dem Bau des Gotthardtunnels, vollbrachte die Schweiz eine weitere Pioniertat des Eisenbahnbaus: In weniger als vier Jahren entstand die Bahnlinie Thusis – St. Moritz und erschloss damit das Oberengadin für den Tourismus. Die Rhätische Bahn fährt bis heute über die gleichen Brücken und durch die gleichen Tunnel wie damals. Eine noch größere Herausforderung war der anschließende Bau der Bernina-Bahn. Keine andere Bahn der Welt überwindet ohne Zahnradhilfe so steile Abschnitte (70 Promille) und so enge Kurven (Radius 45 m) wie die Rhätische Bahn zwischen St. Moritz (1850 m), Berninapass (2260 m) und Tirano (420 m).
► Der koloniale Traum
Der Eisenbahnbau in den Kolonien galt als der Stolz Europas. Die Expresslinie Kapstadt-Kairo blieb aber so unvollendet wie die Zugverbindung Casablanca-Suez. Ein besonderes Kapitel ist: Deutsche Eisenbahnen in Afrika. Dipl.-Ing. Alfred Schliephacke. Einst Planer der Eisenbahnstraße von Deutsch-Südwest nach Deutsch-Ostafrika, berichtet.
Peter Berling als Dipl.-Ing. Schliephacke.
► Silicon Valley
In der Bucht von San Francisco liegen zwei Welten einander gegenüber: am einen Ufer eines der dominanten und offensten Zentren freier Wissenschaft – die Berkeley University. Am anderen Ufer die weniger renommierte Stanford University – „Keimzelle“ und „Brutreaktor“ für das mächtigste Tal der Welt: das Silicon Valley. In diesem legendären Tal entsteht ein virtueller neuer „Kontinent der unbegrenzten Machbarkeit“. Es handelt sich um eine Intelligenzform, eine Lebenskultur, eine Doktrin und eine überwältigend große reale Macht. Mancher Europäer, der im 21. Jahrhundert hierher gelangt, kann sich in der Rolle eines Eingeborenen fühlen, der im 19. Jahrhundert, zu Beginn der Industrialisierung, nach London fährt.
In Palo Alto und im Silicon Valley entsteht aus Intelligenz, Toleranz und digitaler Technologie Innovation. Zugleich entstehen neue Monopole. Die strengen Algorithmen, denen die digitale Zukunftswelt von Silicon Valley folgt, grenzen wesentliche Lebenswelten offensichtlich aus.
Für uns in Europa ist es wichtig, diese zweite „neue Welt“, die keinen landsmannschaftlichen nationalen oder klassischen Formaten gehorcht, kennenzulernen und zu verstehen. Sowohl für das Ziel zu partizipieren und zu kooperieren als auch für das Ziel, selbstbewusst mit Eigenem darauf zu antworten. Das ist durch Stippvisiten und touristische Besuche nicht zu erreichen.
Der Publizist und Wirtschaftswissenschaftler Christoph Keese arbeitete und forschte ein halbes Jahr lang im Silicon Valley. Seine Erfahrungen aus erster Hand über KULTUR UND HYPERÖKONOMIE DES SILICON VALLEY legte er in einem Buch nieder, das auf interessante und verblüffende Weise das legendäre Buch von Frank Schirrmacher PLAYBACK: WARUM WIR IM INFORMATIONSZEITALTER GEZWUNGEN SIND ZU TUN, WAS WIR NICHT TUN WOLLEN UND WIE WIR DIE KONTROLLE ÜBER UNSER DENKEN ZURÜCKGEWINNEN fortsetzt und in der Perspektive erweitert.
Begegnung mit Christoph Keese.