Ulrike Sprenger über einen Kriminalfall, der Italien erregt
Nach einer Sportveranstaltung verschwindet in einem kleinen Ort in Oberitalien ein minderjähriges Mädchen spurlos. Die Leiche wird später auf einem Acker gefunden. Auf ihrem Körper finden sich fremde DNA-Spuren. In einer Großaktion wird aufgrund dieser Spuren nach dem Mörder gesucht. Dr. Letizia Ruggeri, die Untersuchungsrichterin, eine imposante, besonne Ermittlerin, veranlasst in den Dörfern 18.000 DNA-Untersuchungen. Es wird ein mutmaßlicher Vater des Täters gefunden, keines von dessen Kindern aber kommt für die Tat in Betracht. Erst als ein Ehebruch dieses Vaters und ein daraus entstandenes uneheliches Zwillingspaar herausgefunden wird (ein Dorfskandal), gelangen die Behörden an den inzwischen angeklagten Mr. „Unbekannt Nr. 1“. Dessen Familie, er selbst, die Anwälte wehren sich gegen die (auch in der Öffentlichkeit) abstrakt wirkende Anklage, die sich auf DNA-Indizien gründet. Blutsbande und Familienzusammenhalt stehen gegen Laborwissen. Die Debatte erregt und spaltet die Öffentlichkeit Italiens.
Die Romanistin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Verfasserin den Proust ABC, kommentiert den aufsehenerregenden Konflikt, in dem zwei Zeitalter in einem Justizfall hart aufeinandertreffen.
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► Aus dem Alltag eines Strafverteidigers
Ferdinand von Schirach ist Strafverteidiger in Berlin. In seinem Bestseller „Verbrechen“ hat er Fälle aus seiner unmittelbaren Erfahrung nacherzählt. Ein brillantes Beispiel dafür, wie einfallsreich und phantastisch die Wirklichkeit erzählt. Schon Heinrich von Kleist, E.T.A. Hoffmann, Franz Kafka, Goethe und Ingeborg Bachmann waren Juristen und zugleich Erzähler. Außerdem geht von Schirach auf juristische Konzepte von Wahrheit oder auf die Problematik der Prävention in manchen Fällen ein: Wahr ist nur, was sich mit den Mitteln des Strafprozessrechts nachweisen lässt. Und wie sieht Prävention etwa im Fall seines früheren Mandanten Günter Schabowski aus? „Baue keine Mauer mehr?“