Evolutionsforscher Prof. Dr. Reichholf berichtet
Zu den erstaunlichen Tatsachen gehört, dass bei Tieren (und vermutlich dadurch auch bei den Menschen) die innerartliche Aggression schwächer ist als die Kooperation. Welche Geschichte haben Verlässlichkeit und soziale Beziehungen in der Evolution? Das hässlichste Tier, die Nacktmulle, weißlich, rosa, zahnstark und praktisch blind, kann als das kooperativste und sozialste Tier gelten. Auch Wölfe sind untereinander kooperative Jagdgenossen, auch wenn sie zur Beute hin aggressiv sein können. Welche Tiere sind durch den Menschen bestechlich, welche nicht? Hunde sind so domestiziert, dass sie leicht zum Gehorsam zu verführen sind. Katzen dagegen bleiben auch gegen Belohnungen immun und eigensinnig. Als das eigensinnigste Tier kann die Oryx-Antilope gelten. Sie ist überhaupt nicht domestizierbar und durch nichts zum Gehorsam zu bringen: ein Einzelgänger an und für sich. Dieses Tier wäre in Ägypten und im Nahen Osten ein ideales Haustier gewesen. Es braucht wenig Wasser und ernährt sich auf der Futtersuche stets selbst. Es schmeckt köstlich. Die Domestizierung misslang vollständig. Die Sage vom Einhorn bezieht sich auf diese Ory-Antilope.
Der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Joseph H. Reichholf entfaltet ein buntes Kaleidoskop über die Evolution der Zusammenarbeit im Tierreich.
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► Tiere ohne Kopf
Seit 600 Millionen Jahren, also lange vor den Dinosauriern, gibt es die Medusen, Korallen und andere Nesseltiere. Offenbar ist der Bauplan dieser Tiere unverändert und bis heute brauchbar und robust. Ihre Selbstorganisation, die Geschwindigkeit ihrer Attacken, ihr Gift, aber auch ihre Schönheit und ihr potenziell ewiges Leben sind ohne Beispiel. Diese Tiere haben keinen Kopf. Sie sind als pure Fressmaschinen gebaut und dennoch komplex: in 12 von 13 Untergruppen sind ihre Gene denen der Säugetiere, also auch unseren, gleich. Prof. Dr. Thomas W. Holstein erforscht die molekulare Evolution und Genomik dieser Tiere. Er berichtet.
► Uhren des Lebens
Alle lebendigen Körper besitzen Uhren. Die in die Körper eingebauten Zeitgeber sind bei Einzellern und Primaten durch alle Zeiten hindurch ähnlich. Priorität haben die Taktgeber, die sich am Tag- und Nachtwechsel orientieren, d.h. der Sonne folgen. Für uns Menschen heute konkurrieren diese biologischen Rhythmen mit sozialen Taktgebern, die die natürliche Zeit der Körper nachhaltig stören. Der Chronobiologe Prof. Dr. Jörg Stehle, Universität Frankfurt/Main, erforscht dieses faszinierende Konzert der lebendigen Uhren.