Nobelpreisträger Prof. Dr. Jules Hoffmann über Kräfte, die das Leben schützen
Die Abwehrkräfte in den Lebewesen, die angeborene Immunität, ist genetisch uralt. Ihre Strukturen gibt es seit den ersten Schwämmen und Kleinlebewesen, also seit 1 Milliarde Jahre. Seit Aufkommen der Fische gibt es zusätzlich – als zweites System – weiße Blutkörperchen und eine selektive, erworbene Immunabwehr.
Das ältere und das neuere System funktionieren höchst verschieden. Die Genkaskaden, welche die Abwehrkräfte regulieren, wurden vor weniger als 20 Jahren von der Wissenschaft entschlüsselt. Das waren Goldgräberjahre der Evolutionsbiologie. Eine Entdeckung, die als besonders toll galt, erhielt den Namen TOLL-REZEPTOREN. Die Drosophila-Fliegen haben davon 9, Menschen 10. Diese Warnsysteme, Wächter der Gesundheit, alarmieren und aktivieren die Abwehrsysteme.
Der Luxemburger Prof. Dr. Jules Hoffmann von der Universität Strasbourg erforscht diese Phänomene vor allem an der rotäugigen Fliege Drosophila. Die Gene, die dem Fliegenembryo sagen, wo in seinem Körper künftig der Magen und wo das Hirn sich befinden sollen, sind denen ähnlich, die bei den Menschen die Abwehr in Gang setzen, z.B. Entzündungen und das Fieber auslösen.
Für seine Forschungen erhielt Jules Hoffmann, gemeinsam mit zwei weiteren Wissenschaftlern, den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.
Alle aktuellen Sendungen der dctp finden sie online in unserem ► Catch-up Service
Sehen Sie dazu auch auf dctp.tv:
► Ein Gespräch mit Gerald Edelmann
Mit nur 43 Jahren erhielt der Mediziner und Chemiker Gerald Edelman den Medizin-Nobelpreis für seine bahnbrechenden Erkenntnisse über das Immunsystem. Seither hat er sich der Erforschung des menschlichen Gehirns zugewandt und eines der führenden Hirnforschungsinstitute gegründet. Dort studiert er auch Fragen, vor denen viele andere Wissenschaftler zurückschrecken, so etwa die Königsfrage nach Beschaffenheit und Wesen des menschlichen Bewusstseins.
► Mimesis und Mimikry
Arbeitsschwerpunkt von Prof. Dr. Peter Berz, Universität Wien, ist die Wissens- und Kulturgeschichte und zwar, wie er sagt, in einer vor-, nach- und anti-darwinistischen Perspektive. Das ist zugleich die Beobachtungsweise des legendären Strukturalisten Lévi-Strauss.
Besonders interessieren Peter Berz die MIMIKRY (Signalfälschung von Pflanzen oder Tieren, die für das eigene Überleben vorteilhaft ist) und die MIMESIS (literarisches Ideal der „Einfühlung“ seit Aristoteles). Die verblüffende Beobachtung von Peter Berz ist hierbei, dass Mimikry in der Biologie auch dann ausgeübt wird, wenn sie nicht dem Überlebenskampf, sondern der persönlichen Auszeichnung dient, also quasi künstlerisch angewendet wird.
Die biologische Natur, behauptet Peter Berz, ist eine Poetin.