Horst Bredekamp über das ikonografische Bild von Karl dem Großen bis Mao Tse Tung
Herrscher und ihre Chronisten entwickeln Bilder, die den Charakter ihrer Herrschaft einprägen. So zeigt sich Mao Tse Tung als Schwimmer im Gelben Fluss. Das Bild ging um die Welt. Aber schon Karl der Große war im 9. Jahrhundert berühmt für seine Schwimmkunst und seine Hofhaltung in den warmen Bädern Aachens, wo er mit 100 Besuchern und Genossen stundenlang im Wasser schwamm oder lagerte. Das Attribut des Fließens, der ungewohnte Aggregatzustand, in dem es auf das Gewicht des Schwimmers nicht ankommt, hat eine starke Suggestiv- und Symbolkraft.
Diese und andere Ikonen und Propagandabilder hat Horst Bredekamp, Literaturwissenschaftler an der Humboldt Universität zu Berlin, zum Gegenstand einer fesselnden Publikation gemacht.
Spannend und informativ.
► Die Schule des Schwimmens für Herrscher (10vor11, Sendung vom 02.02.2015)
Literaturempfehlung
Der schwimmende Souverän – Karl der Große und die Bildpolitik des Körpers
In seinem fulminanten neuen Buch liefert Horst Bredekamp einen Schlüssel zum Verständnis Karls des Großen. Ein souveräner Coup über den schwimmenden Souverän!
Wurde Aachen zur Europastadt, weil Karl der Große ein passionierter Schwimmer war? Und was hat Mao Tse- tung damit zu tun? Beide Herrscher verbindet eine Politik des Schwimmens. Indem die politischen Akteure sich schwimmend abbilden ließen, wurde der eigene Körper zum Ausweis von sportlicher Tatkraft, patriarchalischer Fürsorge und Führungsstärke überhöht
– und das Schwimmen zum Hauptelement einer körperbezogenen politischen Ikonologie.
Die Beziehung von Wasser, Körper und Macht setzt sich bis heute fort, beispielsweise in der Inszenierung Wladimir Putins als Unterwasserarchäologe. Als Symbole herrscherlicher Souveränität fungieren auch die Bart- und Haartracht, die Kleidung und die Tiere, mit denen sich Karl der Große umgibt. Dabei spielen furchteinflößende, zu erjagende Bestien eine ebenso große Rolle wie exotische Tiere, die in Gehegen befriedet vom Zuschauer betrachtet werden konnten. Der Löwe steht für Karl selbst. In der stilisierten Darstellung am Bronzeportal des Aachener Doms ist das Raubtier nicht nur gezähmt, sondern aus dem Löwen (dem König der Tiere) ist ein Bote des Friedens geworden.
Bredekamps völlig neue Sicht auf Karl den Großen zeigt, wie aktuell dessen Bildpolitik ist. Karl der Große hat als »Leuchtturm Europas«, wie er von Zeitgenossen genannt wurde, auch dem gegenwärtigen Europa etwas zu sagen: Politik ist elastisch und fluid.
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► Der schmale Grat der Macht
Ein römischer Kaiser konnte seine Autorität nur dann erhalten, wenn er sie nicht zeigen musste. Kaiser Augustus hat diese Art der politischen Praxis als Erster vorgeführt. Nach seinen blutigen Anfängen arbeitete er an seinem Bild als „Erster Bürger“ und „Friedenskaiser“. Seine Herrschaft beruhte auf der vollständigen Kontrolle der öffentlichen Rede.
Der Althistoriker Prof. Dr. Pedro Barceló über Augustus und die Macht der Worte.
► Die acht Säulen Chinas
Säulen können ein Gebäude aufrechterhalten, sie sind aber auch ein Prinzip. Die erste und wichtigste Säule ist die Emanzipation des Geistes. Deng Xiaoping setzte daher eine Kehrtwende von der Indoktrination zur Emanzipation des Geistes durch.
Als erste nahmen Künstler und Unternehmer diese Freiheit an. Die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung verlief im Anschluss derartig rasant, dass China mittlerweile zu den größten Volkswirtschaften der Welt gehört. Eine Konfrontation mit der aktuell einzigen Supermacht USA hält John Naisbitt zwar in den nächsten 30 Jahren für möglich, aus verschiedenen Gründen aber für unwahrscheinlich.
► Ich, Herrscher des Weltkreises. Ich komme im göttlichen Auftrag!
Alexander III. von Mazedonien, genannt der „Große“, der seine Abstammung von den Göttern herleitete, war ein Genie der Enthemmung: jung, verrückt, angriffsbereit und vom Glück begünstigt. Er eroberte das Großreich der Perser und drang durch den Irak und durch Afghanistan bis zum Indus vor. Er baute Städte, so wie er Schlachten schlug. Er gründete eine neue Welt.
Die Historiker Alexander Demandt und Pedro Barceló über Alexander den Großen und die hellenistische Welt.
► Des Kaisers goldene Nase
Als Kaiser Otto III. in Aachen das Grab Karls des Großen öffnen ließ, war dessen Leichnam verblüffend gut erhalten. Überraschend war jedoch, dass Karl saß und nicht – wie zu erwarten gewesen wäre – lag.
Eine Beschädigung an der Nase ließ Kaiser Otto III. sofort durch einen Goldschmied ausbessern. Dafür entnahm er dem Leichnam einen Zahn – eine von später vielen Reliquien des durch Barbarossa heilig gesprochenen Kaisers.
► Darwins Korallen
Die Metapher des „Rhizom“ bezeichnet ein Wurzelwerk. Der „Baum des Lebens“ enthält ein ganz anderes Bild. Für seine Evolutionstheorie hat Darwin nicht dieses Symbol gewählt, sondern das Bild einer Koralle, die er von seiner Reise mit der BEAGLE mitbrachte, in seine Sammlung einfügte und zeichnete.
In Anknüpfung an Darwin sagt Horst Bredekamp, dass Korallen das Absterben und Einwuchern des Überlebens gleichzeitig zeigen. Das Bild der Koralle entwickelt keine Hierarchie, so als entwickle sich das Leben aus Einzellern bis zur Krone des Lebens: den Menschen. Vielmehr, sagt Bredekamp, lateralisiert Darwin. Ein winziger Virus hat die gleiche Chance und Bedeutung wie ein Riesentier oder der Mensch.
► Die Macht der Bilder
Das weltweite Netz hat unsere Öffentlichkeiten stärker erschüttert als einst Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks. Dabei erhält das Bewegtbild (als Fortsetzung der Filmgeschichte) eine Bedeutung, die das Nachdenken lohnt.
Dr. Bernd Graff, stellvertretender Chefredakteur von sz.online, über die informative Revolution im 21. Jahrhundert.
► Adolf Hitler badet in einem Weiher
In diesem Film ist alles Dokumentarische real und alles Fiktive nicht unbedingt falsch.
Ein Film von Romuald Karmakar