Eckart Voland: wie ist die Gewissensmoral in die Welt gekommen?
Unter allen Tierarten besitzt der Mensch eine einzigartige Eigenschaft: das Gewissen. Nur etwa 3% der auf der Erde lebenden Menschen verfügen über dieses Unterscheidungsvermögen des Seelenlebens nicht. Die übrigen haben eine solche Instanz in sich, ob sie das wollen oder nicht, ob sie ihr folgen oder nicht. So lange Menschen sich in Übereinstimmung mit ihrer Gewissensmoral befinden, ist das Vorhandensein dieses „seelischen Muskels“ kaum zu bemerken. Handelt ein Mensch gegen sein Gewissen, dann beißt es. Der Biss kann tödlich sein. Er führt zu einer innerlichen Selbstaggression des Menschen gegen sich selbst. Die Pranke des Gewissens spüren nicht nur gute Menschen, die sich bei einem Fehltritt beobachten, sondern auch ausgewiesene Verbrecher wie Shakespeares Richard III. Nach der Beschreibung Darwins von den Regeln, die in der Evolution gelten, ist das Entstehen einer Gewissensmoral nicht ohne weiteres plausibel. Allgemein gilt: belohnt wird in der Evolution, was Fortpflanzungserfolg bringt, gleich ob auf gute oder böse Weise. Das Gewissen aber ist eine Eigenschaft, die den Menschen, die ihr folgen, nicht unbedingt Vorteile bringt. Das Gewissen fordert vielmehr auch gegen das eigene Interesse Folgebereitschaft.
Prof. Dr. Eckart Voland, Universität Giessen, hat mit seiner Mitautorin, der Psychologin Renate Voland die Evolution des Gewissens untersucht. Er hat interessante Gründe gefunden, wie es in der Evolution der Menschengattung notwendig zur Herausbildung des Gewissensorgans (nicht einfach zu verwechseln mit Moral oder Ethik oder Wertesystem) gekommen ist.
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