„Ich denke, also bin ich.“
„Ich denke, also bin ich“ – mit dieser Formel bringt Descartes sein Hauptwerk: „Der Diskurs über die Methode“ auf den Punkt. Er grenzt sich damit von der überkommenen Philosophie ab und lässt nur zu, was über die Reflexion zugänglich ist. Enzensberger weist jedoch darauf hin, dass wir die Vernunft nie aufklären können. Nicht einmal die Mathematik können wir lückenlos aus sich selbst heraus erklären. Alle Wissenschaft – sei es die Nanoforschung im unendlich kleinen oder die Kosmologie in den unendlichen Weiten des Alls – bleibt somit eine Form des Mythos, wie Bilder, die uns die Welt verständlicher machen.
► Wie poetisch ist die Wissenschaft? (23 Filme)
► Wissenschaft als Mythos
Der geplatzte Dämon der Physik
Laut Hans Magnus Enzensberger hat sich die Physik längst von der deterministischen Vorstellung verabschiedet, alles erklären zu können. Stattdessen produzieren die Wissenschaften Bilder, die uns die Welt verständlicher machen – vergleichbar mit der Funktion von Mythen der Antike.
► Vom Wunderglauben zur exakten Beobachtung
Im Hochmittelalter stehen Wissbegier der Menschen und die Einbeziehung von Wundern, Ahnungen und Prophezeiungen, also nicht-exaktes Wissen, in keinem Gegensatz. Die Neuzeit und die Moderne sind dann durch einen Umbruch in der Wissenschaftsgeschichte charakterisiert. Das objektive Beobachten baut zwischen dem subjektiven Betrachter und der Objektwelt einen vehementen Gegensatz auf. Dabei stehen, sagt Prof. Dr. Lorraine Daston, heute drei Fragen im Vordergrund: 1. Warum haben wir überhaupt Bewusstsein? 2. Was ist der Ursprung der Sprache? 3. Was wissen wir von der Entstehung der Naturgesetze im Kosmos?
Prof. Dr. Lorraine Daston, Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, über den faszinierenden Weg vom Wunderglauben über die exakte Beobachtung bis zu den heutigen Verzweigungen des menschlichen Wissens.
► Die Windsbraut des Geistes
Von der Windsbraut des Geistes sagt Enzensberger: „Ihr Haar ist dunkel wie die Vernunft.“ Wieso ist die Vernunft dunkel? Enzensberger verweist auf das Unentscheidbarkeits-Theorem von Gödel.
Es ist erstaunlich, wie wenig wir von der Vernunft von außen sehen können. Und ebenso können sich die Wissenschaften nicht lückenlos aus sich selbst heraus erklären – nicht einmal die Mathematik.
► Odysseus und die Wiesel
Homer hat den Prototyp des modernen, unruhigen Geistes geschaffen: die Gestalt des Odysseus. Er ist auch der Held in dem philosophischen Werk von Max Horkheimer und Th. W. Adorno mit dem Titel „Dialektik der Aufklärung“.
Der Finanzexperte und literarische Autor Graf Georg von Wallwitz stellt dem Typus des Odysseus den Typus der Wiesel gegenüber. Sie, sagt er, sind zu klein und nicht listig genug im Verhältnis zu ihrer Gier.
Eine Abenteuerreise durch die Finanzkrise.
► Roboter ohne Kopf
Über seinen Roboter ohne Kopf, genannt Genghis. Ursprünglich hat man in die Roboter ein „leitendes Zentrum“ eingebaut, eine zentrale Intelligenz. Sie funktionierte sehr langsam. Im Marsgelände oder vor Hindernissen versagte sie.
Jetzt reagieren die einzelnen Sensoren, sozusagen mit dezentraler Intelligenz auf ihre Umgebung, so wie es eine Libelle macht.
Mit Rodney Brooks vom Massachussetts Institute of Technology (M.I.T.).
► Die Hirnforscherin
Das menschliche Bewusstsein verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten. Wenn man einen Roman liest, kann man sich an einen Ort, in eine Geschichte hineinversetzen, die lebendiger erscheinen kann als die Realität. Der Mensch trennt sich dann innerhalb seines Bewusstseins von seiner physischen Umwelt. Das beinhaltet enorme Möglichkeiten, birgt jedoch auch Gefahren.
► Der Nanoforscher
Nobelpreisträger Georg Whitesides über die Wunderwelt des unendlich Kleinen. Das neue Wissen geht in die Tiefen des Kosmos, aber auch in Richtung Plank-Länge, zu den Welten, die kein Auge sieht, weil sie so klein sind.
► Der Fliegenforscher
Alexander Borst vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie über Augen und Hirn unserer bekannten Haustiere, der Fliegen. Warum sind erfahrene Juni-Fliegen so schwer zu fangen? Fliegen haben ähnlich große Nervenzellen wie Menschen, nur weniger davon. Ihre Facetten-Augen zeigen verblüffende Leistungskraft, wenn es um Navigation und die rasche Wahrnehmung von Bewegungsveränderungen geht.
► Der Sternenforscher
Ein Stern wird geboren, lebt und stirbt. Ob er Planeten und Leben um sich herum haben wird, hängt von der Art des Staubes ab, aus dem er entstand. Für den Astrophysiker Erwin Sedlmayer von der TU Berlin sind die Materiezustände in den Galaxien, die aus Sternenwind und Staub bestehen, genauso interessant wie die fertigen oder die explodierenden Sterne.
► Der Entdecker der „dunklen RNA“
Walter Gilbert ist Mitbegründer von zahlreichen Biotech-Start-up-Unternehmen. Zugleich ist er Hochschullehrer in Harvard und Nobelpreisträger. Er gilt als der Entdecker der RNA-Welt, die unserer Evolution der DNS-Welten voranging.
Begegnung mit dem Nobelpreisträger Prof. Dr. Walter Gilbert.
► Sündenfälle der Neugier
Catilina war ein wagemutiger Abenteurer in der Antike. Cicero bezeichnet ihn als Risiko für die römische Republik. Die Entwicklung von Klonen ist ein catilinarischer Sündenfall, sagt Hans Magnus Enzensberger. Und selbst die besonneneren Klonforscher warnen mittlerweile. Neugier kann auch etwas Rücksichtsloses haben. Die Physik hat mit der Atombombe ihren Sündenfall bereits hinter sich. Der Biologie steht er noch bevor.
► Was bringt den Weltgeist nach vorne?
Mit Gutenbergs Erfindung der Buchdruckerkunst beginnt die Entwicklung der Neuzeit. Heute erleben wir das digitale Zeitalter, einen nicht weniger rasanten Umbruch: den Beginn einer neuen Schwellenzeit. Das Zeichen für Menschen, die sich der beschleunigten Zeit anpassen, ist der Delphin. Zugleich brauchen wir Anker. Wir finden sie in der Kunst.
In seiner faszinierenden Publikation IN MEDIAS RES entwickelt Dr. Hubert Burda einen Grundriss für den Umgang mit den neuen Öffentlichkeiten des 21. Jahrhunderts. Der Verleger und Kunsthistoriker fasst gerade die Brüche zwischen Tradition und Neuerung als eine Chance auf für produktive Antworten. Es geht um die Interfaces zwischen Medien und Kunst. Als Eideshelfer dieser 10 KAPITEL ZUM ICONIC TURN begleiten ihn Friedrich Kittler, Horst Bredekamp, Peter Sloterdijk, Bazon Brock und der Kunsthistoriker Hans Belting.
Begegnung mit Dr. Hubert Burda. (Auf der DLD)
► Ein Hase im Rechenzentrum
Es handelt sich um ein Gedicht von Hans Magnus Enzensberger. Aus dem „Eozän“ hoppelt ein Hase direkt in unsere Gegenwart. Wahrscheinlich werden die Ameisen eine von Menschen angerichtete Erdenkatastrophe überleben. Die Evolution ist reich an Wundern und aktuell wie ein Rechenzentrum von heute.
► Das Murmeltier des Geistes
Neues Vers-Poem von Durs Grünbein über René Descartes: Der französische Philosoph entdeckte bei Ulm mitten im Winter die Rationalität. Das Vers-Poem ist der Entstehung des Hauptwerkes von Descartes, „Discours de la Methode“, gewidmet.
► Tausendjährige Flechten
Schönste Metaphern entnimmt Hans Magnus Enzensberger der Flechtenkunde. Die Geschichte der Farben beginnt mit den Flechten, sagt er. Ihre Lebensform enthält Intelligenz. Die Vernetzung, die wir heute in den digitalen Medien verwenden, stammt aus der Evolution der Flechten.
► 20 Mrd. Jahre vor Christus
Im Jahre 2301 nach Christus werden die Neurocomputer, die Nano- und Femto-Technik (Chips- und Intelligenzformen in der Größenordnung von tausendstel millionstel Millimeter) hinter uns liegen.
Der Kosmos ist planbar. Auf die Erfindung des Computers durch Conrad Suse blicken wir wie auf eine Antike zurück. In Richtung des entgegengesetzten Zeitpfeils sehen wir kosmische Ereignisse. Dies ist das Arbeitsgebiet des russischen Mönchs Bitow.
Mit Peter Berling als Mönch Andrej Bitow
► Vom Salz der Freiheit
Unbestechliche Beobachter, immun gegen die Versuchungen der großen Unfreiheits-Ideologien des 20. Jahrhunderts, geboren zwischen 1900 und 1910 – das sind die Beispiele, an denen der große Soziologe Prof. Dr. Lord Ralf Dahrendorf einen bestimmten Typ des Intellektuellen festmachte: Einen, dessen ganze Lebenskraft sich auf das Beobachten und die Unabdingbarkeit der Freiheit bezieht.
Diesen Charaktertyp führte Dahrendorf auf den Humanisten Erasmus von Rotterdam zurück und sah ihn zugleich auf dem Hintergrund des Aufstiegs der bürgerlichen Gesellschaft im 20. Jahrhundert.
Die „Versuchungen der Unfreiheit“, die Hemmungen der liberalen Demokratie in Deutschland, die Leidenschaft der Vernunft – dies waren die großen Themen, mit denen sich Dahrendorf zeit seines Lebens beschäftigte.
► Gebt mir die Zukunft und ich werde die Welt bewegen
Die Moderne im 20. Jahrhundert entsteht auf zwei ganz verschiedenen Seiten: aus dem Projekt der Aufklärung und aus der „Sehnsucht nach Ordnung“. In beiden Fällen, vor allem aber bei der Sehnsucht nach Ordnung, verschränken sich Mythos und Moderne.
Der Zeitgeschichtler Fernando Esposito, London und Universität Tübingen, untersucht diese Frage sowohl für die Hochkunst wie in der massenhaften Populärkultur. Man versteht die Moderne schlecht, sagt er, wenn man die Linie der „konservativen Umstürzler“ auslässt.
Das Idol, gleichzeitig für Mythos und Moderne, ist der homo volans, der fliegende Mensch, das Bild des Ikarus, der stürzt und wiederaufersteht. Die Futuristen sind nicht begriffen, wenn man sie bloß unter dem Faschismus subsumiert. Das Vertrauen in die Aufwärtsbewegung des Fliegens findet sich bei dem Aufklärer und analytischen Geist Aby Warborg ebenso wie bei Marinetti oder schon auf der Flugschau in Brescia 1909.
► Der öffentliche Mensch
Über 2 000 Jahre hinweg gibt es den unbestechlichen Beobachter – von Ovid über Montaigne, Erasmus bis zu Karl Popper. Ihn kennzeichnet die besessene Lust, Unterschiede zu machen.
Diesen Vertrauenspersonen des freien Denkens widmete Lord Ralf Dahrendorf sein Interesse. Freies Denken und Selbstvertrauen seien verbundene Gefäße. Über die Tugenden und Schwächen des „öffentlichen Menschen“ (homo publicus).
► Alchemie des Denkens
Der Lebenslauf von Bernard Stiegler ist spannend. Nach 4 Raubüberfällen in seinen Jugendjahren saß er 5 Jahre im Gefängnis. Heute ist Bernard Stiegler einer der führenden Philosophen Frankreichs und lehrt in London und Paris.
In seinen Werken DIE LOGIK DER SORGE und ARS INDUSTRIALIS entwickelte Stiegler einen überraschenden und modernen Zugang zu den Kategorien der Aufklärung. Wir müssen lernen, sagt er, die Ursache von uns selbst zu sein. Seine Gedanken stützen sich auf Gilles Deleuze und Jacques Derrida, gehen aber in ihrer konsequenten Fortführung über diese Denker hinaus. Stiegler leitet auch ein digitales Forschungszentrum im Centre Pompidou in Paris: das Institut de recherche et d’innovation (IRI).
Begegnung mit Bernard Stiegler.
► Der Philosoph als fliegender Fisch
Bernard Stiegler, einer der führenden Denker Frankreichs über den Beruf des Philosophen. Stieglers Zeichen (auch Markenzeichen seines Instituts am Centre Pompidou) ist der „fliegende Fisch“. Aus ihrem Element, dem Wasser, springen fliegende Fische in ein fremdes Element, die Luft, um dann mit neuer Erfahrung wieder in ihrem Element einzutauchen. Erkenntnis geht immer über die Grenze hinweg und hat die reichsten Resultate unmittelbar an der Widerstandslinie zum Unbekannten, dem Fremden, dem Antagonismus.
Eines der Bücher von Bernard Stiegler hat den Titel LOGIK DER SORGE. Wie bei Derrida und Heidegger wird der Begriff „Sorge“ in verschiedenen Richtungen interpretiert: als Prinzip der Vorsicht und als Prinzip des Sich-Mühe-Gebens. Grundlage des Denkens ist für Stiegler das Begehren. Bei der Entwicklung der Intelligenz eines Kindes werden die Impulse des Kindes durch das Bild der Erwachsenen, vor allem der Mutter, gebrochen und „Trieb“ in „Begehren“ verwandelt. Dies ist die Arbeit der libidinösen Kräfte, der wahren Einwohner eines jeden Menschen. Sowohl die libidinöse Struktur wie die Prägung durch die Eltern nennt Stiegler ein „Pharmakon“. Es kann sich als Gift und als Heilmittel auswirken. Stiegler beschreibt, wie sich Werbung, Medien und Markt an den libidinösen Kräften in den Menschen bereichern. Der Markt akkumuliert nicht nur die ganzen Menschen, sondern die Elemente in ihnen, die das eigene Denken hervorbringen, für seine Ausbeutung. Um diesen Kampf Kapital versus Sorge, menschliche Lebenswelt gegen Kapitalwelt geht es Stiegler. Für ihn gehört die permanente Auseinandersetzung zum Beruf des Philosophen, so wie für den fliegenden Fisch der Sprung aus dem Wasser in die Luft und wieder zurück zum Leben gehört.
Begegnung mit Bernard Stiegler in Paris.
► Drei Fabeltiere
Prof. Dr. Josef H. Reichholf rekonstruierte das wahre Vorbild und den Ursprung der drei mythischen Fabeltiere. Keines der drei ist ursprünglich ein reines Fantasiewesen. Der Phönix entspricht einem wirklichen afrikanischen Zugvogel, die Sage von den Drachen geht in Europa auf riesenhaft gewachsene Metallarbeiter zurück, die aus dem Altai-Gebirge in den Westen wanderten und außerhalb menschlicher Siedlungen in Höhlen lebten. Das Einhorn geht auf eine seltene und unzähmbare Art von Gazellen zurück.
Die Ableitungen des Evolutionsbiologen Prof. Dr. Reichholf verblüffen.
► Weltwissen
Seit 300 Jahren gibt es die Wissenschaften in Berlin. Am Anfang steht G.W. Leibniz, der große enzyklopädische Geist. Eine große Ausstellung im Martin-Gropius-Bau widmet dieser Tradition eine Sammlung.
Es geht um die Elemente, aus denen WELTWISSEN besteht: Lernen, Sammeln, Kooperieren, Vermessen, Reisen und Interpretieren.
Prof. Dr. Markschies, ehem. Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, gehört zu den Veranstaltern und berichtet.
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Schon die alten Griechen machten aus der Mathematik eine Leitwissenschaft, um die Natur zu verstehen. Später versuchte etwa Leibniz, in ihr einen Universalschlüssel zum Zugang zur Welt zu finden. Neben komplexen Figuren sucht die Mathematik aber auch Antworten auf banale Fragen wie der, wie man einen Postboten losschicken kann, ohne dass er dieselbe Straße zwei Mal geht. Vom Modell der „Wurstkatastrophe“ lässt sich die Wiedergabequalität von CDs und Telefongesprächen ableiten.
Trotzdem half dem großen Mathematiker Alan Turing alles Genie nicht weiter – er wurde in den Selbstmord getrieben. 9 Filme über den Höhenrausch des Wissens, einen Knotenzoo, magische Umschlagspunkte und die „Königin aller Formeln“.