Nach dem Zusammenbruch des russischen Imperiums und dem Ende des Kalten Kriegs glaubten viele von uns, dass wir und unsere Kinder einem Augusteischen Zeitalter des Friedens entgegengin- gen. Das erste Jahrzehnt des 21.Jahrhunderts hat stattdessen den asymmetrischen Krieg gebracht: Und außerdem den Eindruck vermittelt, dass alle übrigen Formen des Kriegs im Schoße der neuen Zeit weiterhin aktiv sind oder auf ihren Einsatz warten.
Die DVD-Filmedition Der Erste Weltkrieg ist eine Zusammenarbeit von NZZ Format und dctp.tv. Die Partner arbeiten auf den Gebieten des Fernsehens, im Internet und künftig in weiteren Bereichen von Öffentlichkeit, Bildung und im Ausstellungswesen zusammen.
Es geht um die zwei Schwerpunkte: »Kunst und Krieg« und
»Die Abwesenheit von Kriegskunst«.
Zu den auf Nachhaltigkeit und Dauer angelegten menschlichen Kräften, die die Zivilisation begleiten und ohne welche die Mensch- heit vermutlich nicht überlebt hätte, gehört die Kunst. Sie verkör- pert eine besondere Anstrengung (»als ginge es ums Leben«). Kunst zeigt eine Konzentration der Wesenskräfte, die über alle Kriegs- und Friedenszeiten hinweg einen Gegenpol zur bloßen Praxis bildet. Eine notwendige Gegenwelt. Sie ist mehr als ein Spiegel.
Wer Orientierung und glückliche Auswege im 21.Jahrhundert sucht, muss sich ein Bild der Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts vor Augen führen. Nur mit dem Blick auf die Fakten wird dies im Herzen nicht gelingen. Man braucht die beharrlichen und vom bloßen Abbildrealismus entfernten Tugenden der Kunst, deren Unbestechlichkeit und Konzentration sinnlicher Kräfte, um dann mit eigener Wahrnehmung und eigenem Urteil die geschicht- liche Erfahrung zu verarbeiten. Ohne die Klugheit der Künste vertrocknen dieTatsachen (DVD 1 und 2).
Der Gewissensanspannung, der die Künstler spontan folgen, entspricht auf der Seite der kriegswegführenden Kräfte nichts Gleichartiges. Die »Kriegskunst« bleibt, nicht nur im Ersten Weltkrieg, gemessen am Ernst des Geschehens, merkwürdig platt. Es besteht Übereinstimmung, dass die Tätigkeiten im Krieg weder bloße »Praxis« sind, noch mit »wissenschaftlichen Methoden« verstanden oder getätigt werden können. Sie werden tatsäch- lich seit der Antike als Ars militans betrachtet. Für das Herausfin- den der seltenen Chancen, die für einen Friedensschluss taugen, erweist sich diese Kunst als noch notwendiger als für die Kriegs- führung. Diese Friedenskunst, ähnlich notwendig wie die ärztliche, ist historisch ganz unterentwickelt (DVD 3 und 4).
Niklaus von der Flüe, der vom Kriegshandwerk einiges verstand, wurde in klarer Erkenntnis, welches Vernichtungswerk der Krieg betreibt, zum Klausner. Von den Kantonen wurde er als Berater berufen zur Beurteilung der Frage: Wie können enorm verschie- dene, auch verschiedene Sprachen sprechende und verschiedenem Glauben anhängende Gemeinwesen sich miteinander vertragen? Gibt es hierfür einen Rat im Frieden, gibt es auch Rat dafür, wie man durch Neutralität sich fremden Kriegen entzieht.
Die unmittelbare Folge des Ersten Weltkriegs sind die Krisen der Nachkriegszeit und die Epoche des Hochnationalismus in den 30er Jahren. Diese wiederum verursachen erneuten Krieg und Ausch- witz. Manche Historiker sprechen deshalb nicht vom Krieg 1914 – 1918, sondern von einem 30-jährigen oder einem 31-jährigen Krieg (1914 – 1945).
In der Ungeduld der Medien setzen die Partner NZZ Format und dctp.tv immer erneut auf den Gegenpol: die ruhige, gründ- liche, auch zeitintensive Darstellung komplexer Sachverhalte. Wir vertrauen dabei darauf, dass es genügend Menschen gibt, die sich für Sachverhalte, die mit unserem Leben und Überleben verbunden sind, interessieren. Wir rechnen mit Nutzern, die nicht Zuschauer ihres Lebens, sondern Produzenten ihres Lebens sein wollen. Ihnen widmen wir das vorliegende Sammlerobjekt.
Wolfgang Frei, NZZ Format Alexander Kluge, dctp