"Hans Richter, der Visionär"
Aus dem Umkreis von Dada hervorgegangen, ist Hans Richter für den Film und die bildende Kunst ein herausragender Neuerer und Revolutionär. Seine Schriften KAMPF UM DEN FILM und FILMFEINDE VON GESTERN, FILMFREUNDE VON MORGEN sind bis heute das Programm der avancierten Autorenfilmer. In den 20er Jahren bildet Hans Richter zusammen mit Sergej Eisenstein, Man Ray und Marcel Duchamp die Spitze der Avantgarde und ist in aller Munde. Ein Jahr vor seinem Tod, wohnhaft in der Nähe von Locarno, wird er auf das dortige Festival nicht einmal eingeladen. Heute wird er neu entdeckt.
Eine Ausstellung im Gropius-Bau und ein Museum in Los Angeles zeigen sein Werk in einer großen Retrospektive. Der Kurator Timothy B. Benson berichtet.
"Avantgarde in der Musik"
Helmut Lachenmann, der bei Luigi Nono lernte, gehört zu den Avantgardisten in der Musik. Aus Anlass der Neuaufführung seiner Oper DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN spricht er über Kernfragen der musikalischen Moderne. Diese Moderne ist, zumindest was Oper betrifft, stärker als man gewöhnlich annimmt, in den alten Meistern der Musik verankert, sozusagen direkter Abkömmling der frühesten Oper der Welt: ORFEO von Monteverdi. Mit Ausschnitten aus den Opern ORFEO, ODYSSEUS und POPPEA von Monteverdi, WOZZEK von Alban Berg und der WALKÜRE von Richard Wagner. Avantgarde entsteht nicht durch subjektiven Entschluss, sondern ist durch die gegenwärtige Zeit objektiv vorgegeben. Beim Komponieren geht es fast nie bloß um Absichten, sondern um die Hingabefähigkeit an die Sache. Ein Grundsatz von Helmut Lachenmann: "Vergiss dich, dann findest du dich!" Musik ist durch die Zeiten hindurch ein Kontinuum, nicht bloß Sache des einzelnen Komponisten. Begegnung mit Helmut Lachenmann.
"Vom Salz der Freiheit"
Unbestechliche Beobachter, immun gegen die Versuchungen der Unfreiheit im 20. Jahrhundert, geboren zwischen 1900 und 1910 - das sind die Beispiele, an denen der große Soziologe Prof. Dr. Lord Ralf Dahrendorf einen Typ des Intellektuellen festmacht, dessen ganze Lebenskraft sich auf das Beobachten, das Unterscheidungsvermögen und die Unabdingbarkeit der Freiheit bezieht. Diesen Charaktertyp führt Dahrendorf auf den Humanisten Erasmus von Rotterdam zurück. Zugleich sieht er ihn auf dem Hintergrund des Aufstiegs der bürgerlichen Gesellschaft seit dem 17. Jahrhundert. Davon handelt sein neues Buch "Versuchungen der Unfreiheit: die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung" und seine Biografie "Über Grenzen". In beiden Büchern, wie fast allen anderen, die Dahrendorf veröffentlichte, geht es um die LEIDENSCHAFT DER VERNUNFT. Begegnung mit dem Soziologen, Autor und Politiker Prof. Dr. Lord Ralf Dahrendorf, Mitglied im britischen Oberhaus.
"Gebt mir die Zukunft und ich werde die Welt bewegen"
Die Moderne im 20. Jahrhundert entsteht auf zwei ganz verschiedenen Seiten: aus dem Projekt der Aufklärung und aus der "Sehnsucht nach Ordnung". In beiden Fällen, vor allem aber bei der Sehnsucht nach Ordnung, verschränken sich Mythos und Moderne. Der Zeitgeschichtler Fernando Esposito, DHI London und Universität Tübingen, untersucht diese Frage sowohl für die Hochkunst wie in der massenhaften Populärkultur. Man versteht die Moderne schlecht, sagt er, wenn man die Linie der "konservativen Umstürzler" auslässt. Das Idol, gleichzeitig für Mythos und Moderne, ist der Homo volans, der fliegende Mensch, das Bild des Ikarus, der stürzt und wiederaufersteht. Die Futuristen sind nicht begriffen, wenn man sie bloß unter dem Faschismus subsumiert. Das Vertrauen in die Aufwärtsbewegung des Fliegens findet sich bei dem Aufklärer und analytischen Geist Aby Warborg ebenso wie bei Marinetti oder schon auf der Flugschau in Brescia 1909.