Neu auf dctp.tv: Die Reinschrift des Lebens

Joseph Vogl über Robinson und den Robinsonismus
Daniel Defoes Geschichte von ROBINSON CRUSOE handelt von der Robustheit des bürgerlichen Menschen. Kaum hat er Schiffbruch erlitten, gründet er auf der Insel, auf die er sich gerettet hat, ein neues Leben. Der Unglücksfall läutert ihn: Robinson beginnt mit der Reinschrift des Lebens. Früher war er Sklavenhändler und gieriger Geschäftsmann. Jetzt errichtet er mit seinen Tieren und dem ihm zugelaufenen Naturmenschen namens Freitag ein solides Gemeinwesen. Was wäre ein Robinson der Zukunft? Könnte man einen solchen Roman auch im 21. Jahrhundert schreiben? Gibt es einen „sozialistischen Robinson“? Wird der gestrandete Mensch der Zukunft ein Heimkehrer sein oder wird er zum Geschoss nach Unbekannt? Prof. Dr. Joseph Vogl, Humboldt-Universität Berlin, berichtet.

► Die Reinschrift des Lebens (Primetime vom 23.11.2008)

 


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► Apokalypse des Abraham
Die Apokalypse des Abraham ist eine einzigartige, apokryphe (nicht in den offiziellen Heiligen Schriften enthaltene) Quelle in aramäischer Sprache. Sie ist heute nur erhalten in kirchenslawischen Abschriften. Sie zeigt den Stammvater Abraham als Initiator der „Aufklärung“. Täglich fährt er die Götzen seines Vaters zu einem Teich, um ihnen „den Mund auszuwaschen“. Die Götzen fallen ihm von Fahrzeug und zerbrechen. Wie ein Experimentator beobachtet der Stammvater die Szene. Wie sollen Götter, die sich nicht selbst reparieren können, uns das Heil bringen? So gelangt Abraham in dieser APOKALYPSE in mehreren Schritten zur Vorstellung vom „unsichtbaren Gott“.
Der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Joseph Vogl, bekannt durch sein Buch DAS GESPENST DES KAPITALS, kommentiert dieses eindrucksvolle theologische Dokument, von dem man sich wünschen würde, dass Luther es gelesen hätte.
 


► Zeit ohne Raum
Jeder Mensch lebt in seinem Lebenslauf wie in einem Kokon. Diese Zeit ist ihm vertraut. Unsichtbar bleibt dabei, daß jedes Jahrhundert ein anderes Verhältnis zur Zeit entwickelt und diese Veränderung immer auch das Verhältnis zum Wissen verändert. Prof. Dr. Vogl von der Bauhaus-Universität Weimar beschreibt die Zeit der Imperien und Bahnhöfe um 1900. Er setzt sie in Kontrast zu dem veränderten Zeitgefühl des Jahres 2000. In der vernetzten Welt entstehen Parallelzeiten, eine Vielfalt der Zeitströme. Es entsteht eine Gleichzeitigkeit, die den gesamten Planeten auf andere Weise besetzt als das früher durch Schiffe, Industrien und Armeen geschehen konnte. Was heißt „verdichtete Gegenwart“? Was ist an der modernen Zeit anders? Was ist „Zeit ohne Raum“? Dr. Joseph Vogl berichtet.


► Unser ferner Spiegel: Menschen der Steinzeit
Vor etwa 70 000 Jahren wurde die Gattung Homo Sapiens durch einen Vulkanausbruch, wie er nur alle zwei Millionen Jahre stattfindet, in ihrem Ursprungsland Afrika bis auf etwa 7 000 Exemplare ausgelöscht. Für die evolutionäre Entwicklung war das ein Nadelöhr. Die Menschen, die durch diesen Engpass hindurchfanden, sind unsere Vorfahren. Solche Völker leben noch heute.
Der Arzt, Anthropologe und Humangenetiker Prof. Dr. Wulf Schiefenhövel, der in Neu-Guinea ein solches Steinzeit-Volk mehr als sieben Jahre lang erforschte, berichtet.


► Die Weltgeschichte der Sklaverei
In der Geschichte der Menschheit war Sklaverei lange Zeit der Normalzustand. Aristoteles hielt sie für gerechtfertigt. Nur eine Minderheit bekämpfte sie in der aufkommenden christlichen Kirche. Später war der Sklavenexport von Afrika in den Nahen Osten und nach Asien zeitweise umfangreicher als der nach Amerika. Die Sklavenfänger-Staaten in Afrika hat erst der europäische Kolonialismus beseitigt. Die Idee der Freiheit, von der die modernen Zivilisationen ausgehen, steht historisch auf jungen und dünnem Boden. Prof. Dr. Egon Flaig, Althistoriker an der Universität Greifswald und Autor des Buches WELTGESCHCHTE DER SKLAVEREI, berichtet.


► Im Urwald, wo die wilden Wörter wohnen
Ann Cotten, geboren in Iowa/USA, lebt in Wien und Berlin. Der Vers: „Im Urwald, wo die wilden Wörter wohnen, befand ich mich als ich das Einhorn ritt“, stammt aus ihrem ersten Gedichtband „Fremdwörterbuchsonnette“, ein Werk, mit dem sie sich als Lyrikerin bereits an die Spitze setzte. Sie erhielt den Hugo-Ball-Preis (genannt nach dem berühmten Dadaisten), den Klopstock-Preis und viele andere Auszeichnungen.
Wie geht eine moderne Lyrikerin mit dem Netz um? Woran erkennen sich Lyriker untereinander? Wie viele Dichter braucht eine Gesellschaft? Lyrische Dichtung, wie sie auch das Werk von Elfriede Mayröcker enthält, gibt heute der Sprache die größte Freiheit, fern vom Sinnzwang, den die Medien oder die Dramatik des Sprechtheaters ausüben. Die heutige Öffentlichkeit, die gegenüber der klassischen Öffentlichkeit starke Verfallserscheinungen aufweist und doch zu schwach ist, eine selbstbewusste neue Öffentlichkeit des 21. Jahrhunderts oder gar Gegenöffentlichkeiten zu gründen, braucht die Ausdrucksstärke, die in der Sprache steckt, wenn man die rebellischen Wörter loslässt. Umgekehrt: „Sinnzwang stört die Melodie der Sprache und damit auch deren praktischen Sinn.“