Bernd Alois Zimmermann (* 20. März 1918)

Abb.: Bernd Alois Zimmermann, geboren 20. März 1918. Mit einer Farbprobe aus dem Atelier Georg Baselitz


Zu den wichtigen Ereignissen des Jahres 1918 gehört die Geburt von Bernd Alois Zimmermann. Dieser Komponist zählt, nicht nur wegen seinem Epoche machenden Werk DIE SOLDATEN, zu den bedeutendsten Modernen in Europa und der Welt. In diesem Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden.

Im Folgenden zum Geburtstag zwei Filme und eine literarische Geschichte. In der Geschichte „Nichts. Niemand. Nirgends. Nie.“ geht es um die kontrafaktische Begegnung des Dichters Arno Schmidt mit dem damaligen Redakteur des WDR Bernd Alois Zimmermann. Es hätte durch die beiden eine schöne Kooperation entstehen können. Auch wäre denkbar gewesen, dass der WDR bei seinem Redakteur B.A. Zimmermann ein Großes Werk bestellt. So aber, wie ein Erzbischof von Salzburg an Mozart Aufträge vergab, wird wohl bis zum Sanktnimmerleinstag eine öffentlich-rechtliche Anstalt keine Quelle dafür werden, dass moderne Kunstwerke entstehen. Immerhin wären in der Kantine des WDR die beiden Meister, beide von Natur aus eher Autisten als geübte Kennenlerner, beinahe zusammengetroffen.
Diese Geschichte (voller guter Wünsche) ist mein Geburtstagsgruß an B.A. Zimmermann.

– Alexander Kluge


„Nichts. Niemand. Nirgends. Nie.“

Das Vorbild zu Thomas Manns Berichterstatter Serenus Zeitblom im Doktor Faustus war bekanntlich der Studiendirektor Knorre. Er versuchte vergebens Thomas Mann (brieflich) davon zu überzeugen, daß es falsch gewesen sei, die Kompositionen des Adrian Leverkühn nach der Methode Arnold Schönbergs zu modellieren, da Schönbergs Herkunft, dessen jüdische oder phönizische Tiefe und die keltisch-sächsische Dämonie Leverkühns nicht konvergent seien. Besser geeignet schien Knorre der zeitgenössische Meister Bernd Alois Zimmermann, den er später ebenso vergeblich in einem Briefwechsel Arno Schmidt andiente.
Bei einem Kurzbesuch in Köln mit Vorsprache im Westdeutschen Rundfunk geriet Arno Schmidt tatsächlich in die Nähe dieses Tonsetzers, der als Redakteur beim Sender beschäftigt war und in der Betriebskantine eine Mahlzeit zu sich nahm. Als der Dichter den Raum betrat, waren die beiden nur zwölf Meter auseinander! Der Poet hätte (Zimmermann war Jahrgang 1918) Erfahrungen aus seiner Lebenszeit mit denen des Komponisten austauschen können (auch waren beide Soldaten gewesen). Obschon hungrig, zögerte Schmidt, die Kantine zu betreten, in der bereits zwölf Leute saßen. Zu viele Leute um einen ungestörten Platz zu finden. Schon strebte dichtes Menschenvolk zu einer frühen Mittagspause.
Im Kantinenraum wäre er, an einem der Tische angekommen, immer noch mit dem Problem konfrontiert gewesen, sich zu dem Musiker zu setzen und ihn als Geistesgefährten und Mitlebensläufer (somit als einen wichtigen Kontakt) begrüßen zu müssen. Er konnte nicht allein dasitzen und gleichzeitig mit dem anderen ins Gespräch kommen. Einen Moment lang jedoch hatte ihn die einsame (und eigensinnige) Erscheinung des Komponisten (der sich hier als Redakteur maskierte) angezogen. Ist ein Platz frei? hätte er fragen müssen. Dann hätten sie miteinander gesprochen, wie es in einer Erzählung leicht möglich wäre. Das galt nur für den Fall, daß es überhaupt Schmidts Art gewesen wäre, menschenhungrig einen Geistesgefährten an unerwartetem Ort zu treffen oder auch nur zu suchen. Wäre Dr. Knorre als Vermittler dagewesen (aber keiner der beiden Künstler konnte die Nähe eines Dritten ertragen), hätte das Projekt eines gemeinsamen Werkes einen Platz in der Welt gefunden. In Betracht kam, vermutete Dr. Knorre, der von dem Beinnahetreffen zu spät erfuhr, die Vertonung eines Chorwerkes (auf vier Chor-Säulen verteilt, die in den vier Ecken des Konzertsaals der Kölner Philharmonie zu stehen kämen) auf den Text:

„ICH WAR ALLER WORTE MÜDE“

Zimmermann brauchte für ein Kirchenschiff voller Musik nicht mehr als fünf Worte. Von solchem Rohstoff war in Arno Schmidts Werk zu diesem Zeitpunkt eine unübersehbare Menge vorhanden.


► Die Soldaten / Oper in vier Akten von Bernd Alois Zimmermann
Einen Höhepunkt der Salzburger Festspiele bildete die Neuinszenierung der Oper von Bernd Alois Zimmermann: DIE SOLDATEN. Musikalische Leitung: Ingo Metzmacher. Regie: Alvis Hermanis. Es geht um die Klavierprobe zu dieser als sensationell empfundenen Theaterarbeit in der Felsenreitschule in Salzburg. Der Dirigent Ingo Metzmacher führt in die Oper und auch in die Besonderheiten der Inszenierung ein.
Der Stoff der Oper stammt von dem Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz. Das Drama beschreibt das erschütternde Schicksal eines jungen Mädchens, das von einem adligen Offizier verführt wird. Der Verlobte dieses Mädchens vergiftet am Ende den Verführer. Die Handlung spielt in der primitiven Welt von Soldaten und Offizieren einer Garnison, die ihrer Triebe nicht Herr werden.
Aus dieser Vorlage des Dichters Lenz, der im 18. Jahrhundert lebte und als Vorläufer Georg Büchners gilt, hat Bernd Alois Zimmermann, einer der großen Komponisten des 20. Jahrhunderts, eine einzigartige Oper geschaffen. Sie wiederum erhielt in Salzburg eine neuartige und fesselnde Fassung.


► Barbara Hannigan, Sopran
hanniganBarbara Hannigan stammt aus einem Ort in Kanada, dessen Atem, Geräuschpegel und Natur den Gegenpol zu Großstädten und Opernhäusern in Europa bilden. Zugleich ist sie eine der großartigsten Soprane. Sie singt nicht nur, sondern kann tanzen und dirigiert das Concertgebouw Orchester in Amsterdam.
Es ist ein Glücksfall, dass dieses Multitalent für die Aufführung der Oper DIE SOLDATEN von Bernd Alois Zimmermann an der Bayerischen Staatsoper München gewonnen werden konnte. Auf Anhieb war sie Liebling des Publikums. Durch ihre Verbindung von Gesang und Darstellung. Sie singt die Marie, ein 15-jähriges Mädchen von unbezwinglichem Lebenswillen, das von der sie umgebenden Männerwelt ruiniert wird.
Der Kritiker der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schrieb zur Premiere: „Ein absoluter Glücksfall im Opernbetrieb“. Ein Portrait von Barbara Hannigan.