Zum Tod von Joachim Kaiser. „Der Tod kann ausgedrückt werden durch eine Pause“

Die helle Stimme, den wachen Geist von Joachim Kaiser sollten wir immer wieder hören können. Dafür sind Filme da. Sie sind zum Hören da. Sie sind für Vergegenwärtigung gut.
In der Musik ist die Pause, sagt Joachim Kaiser, eine höchste Form der Intensität. Die Liebe zur Musik ist Joachim Kaisers Lebenskern. Auch unter den literarischen Stimmen ist und war er der Musikalischste. Ich vermisse ihn.
— Alexander Kluge

Alexander Kluge und Joachim Kaiser 1962 bei der Tagung der Gruppe 47 am Wannsee in Berlin. (Bildquelle: Toni Richter: Die Gruppe 47 in Bildern und Texten, Kiepenheuer und Witsch, 1997.)


 
Der 1928 in Milken im damaligen Ostpreußen geborene Kaiser zählte zu den einflussreichsten Musik-, Theater- und Literaturkritikern. Nachseinem Studium der Musikwissenschaft, Germanistik, Philosophie und Soziologie in Göttingen promovierte Kaiser in Tübingen. Seine wichtigsten Lehrer waren Theodor W. Adorno und Nicolai Hartmann. Nach Stationen unter anderem bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde Kaiser 1959 Redakteur im Feuilleton der SZ. Ab 1977 übernahm er zusätzlich bis 1996 eine Professur an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart.
Kaiser war Mitglied in der renommierten „Gruppe 47“ um Hans Werner Richter. Zu seinen bekanntesten Werken gehört das Buch Große Pianisten unserer Zeit, in der er sich der musikalischen Welt Beethovens und Mozarts annahm. Kaiser fühlte sich auch in besonderer Weise dem Werk Richard Wagners verbunden und unterstützte und begleitete den Neubeginn der Bayreuther Festspiele im Jahre 1951 unter der Regie der Wagnerenkel Wieland und Wolfgang Wagner.
Marcel Reich-Ranicki über Kaiser: „Er, der Sachwalter der Vernunft und der Toleranz, der leidenschaftliche und heitere Aufklärer im Reich der Kunst, ist der einzige deutschsprachige Kritiker von Rang und Format, der gleichermaßen unterhaltsam und belehrend, geistreich und urteilssicher über Musik, Literatur und Theater zu schreiben vermag.“

 
► Der Tod kann ausgedrückt werden durch eine Pause
Zu den stärksten Ausdrucksmitteln der Musik gehören die Pausen. Wie ein Gravitationsfeld zieht die Stille das UNERHÖRTE in seinen Bann.
Der Musikkritiker und Autor Joachim Kaiser über Pausen in der Musik sowie über Furtwängler, Wagner und Verdi.
 
 
 
► Stichwort Klassik
Man kann modern und aktuell sein, indem man mit allen Fasern seiner Seele an den Formaten der Klassik und an deren Unbedingtheit festhält.
Prof. Dr. Joachim Kaiser, literarischer Autor und Mitglied des Feuilletons der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, über die griechische Antike, Goethe, Schiller, Mozart, Beethoven, Thomas Mann: den ganzen Reichtum.
Ein Mann aus dem Jahrgang 1928!
 
► Macht über den Tod
Dem Ausdruck von Trauer sind erschütternde Musikstücke gewidmet. Das müssen nicht Trauermärsche sein. Eine machtvolle Qualität der Musik liegt darin, in aussichtsloser Lage zu trösten. Prof. Dr. Joachim Kaiser, Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung, literarischer Autor und Musikkritiker, berichtet.
 
 
 
► Glücksfälle der Kontinuität und des Verfalls
Verfall, Dekadenz und Krise sind eindrucksvolle Erfahrungen des 21. Jahrhunderts und der beiden ihm vorangehenden Jahrhunderte. Den Verfallsphänomenen stehen aber Glücksfälle von Kontinuität gegenüber. Das gilt für Industrien, große Familien und die Kunst.
Der Autor Prof. Dr. Joachim Kaiser, Musik- und Literaturkritiker der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, stützt sich bei seinen Überlegungen und Hinweisen auf den Roman DIE BUDDENBROOKS von Thomas Mann und die dramatischen Entwürfe von Friedrich Schiller.
 
► Ich bin ein Verfechter des Klassischen
Es gibt die Klassik des Perikles in der Antike, die des Zeitalters des Kaisers Augustus, die der Renaissance und die Deutsche Klassik von Wien und Weimar an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Die Werke, die aus diesen Höhepunkten der Kunst stammen, haben vermutlich ein ewiges Leben.
Joachim Kaiser, Literatur-, Theater- und Musikkritiker der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist ein unbestechlicher und entschiedener Verfechter des Klassischen. Er berichtet über das Parallelogramm der Kräfte zwischen Energie und Ausdruck, das die große Leistung jeder Klassik darstellt.