Neu im Catch-up Service: Liebe in Russland ist nicht schwarz-weiß


Barrie Kosky inszeniert EUGEN ONEGIN an der Komischen Oper Berlin
Einen Dandy aus der Hauptstadt, Eugen Onegin, hat es aufs Land verschlagen. Er weckt in einer 17jährigen Gutstochter, Tatjana, eine Leidenschaft. Man weiß nicht: kommt die Obsession aus ihrem Inneren oder aus den Romanen, in denen sie so eifrig liest. Ihre ältere Schwester, Olga, eine realistischere Natur, ist verlobt mit dem engsten Freund Onegins, Lenski. In der Verwirrung einer Sommernacht zündet es zwischen Onegin und dieser Olga. Der eifersüchtige Lenski beleidigt Onegin. Es kommt zum Duell. Onegin erschießt seinen besten Freund.
15 Jahre später trifft Onegin, inzwischen als Mensch verändert, erneut auf Tatjana. Sie ist mit dem Fürsten Grenin verheiratet und eine große Dame der Gesellschaft. Für einen kurzen Moment scheint es, als könnten sie zueinander finden.
Tschaikowsky hat nach dem Versepos von Alexander Puschkin sieben lyrische Szenen zu diesem Sujet komponiert. Barrie Kosky, der Intendant der Komischen Oper Berlin, zeigt in seiner Inszenierung mit entschiedenem Griff die Präzision und Schönheit von Tschaikowskys Oper, die das Schema der Oper hinter sich lässt. Es geht um eine Reise von Obsession zu Gleichgültigkeit. Das Nein kommt erst von Onegin und Jahre später von Tatjana. Dass dem Zuschauer eine solche Reise ins Nichts das Herz erwärmt, daran zeigt sich die Macht der Liebe.
► Liebe in Russland ist nicht schwarz-weiß (10vor11, Sendung vom 27.03.2017)


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► Das Mädchen mit dem Kavalier im Kopf
Die Handlung der letzten Oper des Genies Vincenzo Bellini, bevor er im Alter von 34 Jahren starb, spielt in England in der Zeit der Puritaner. Die Puritaner sind eine religiös-sektiererische Massenbewegung, die so viel Macht hatte, zwei Königen das Haupt abzuschlagen: gegen alle Sinnlichkeit eingestellt, fanatisch, in erotischer Hinsicht grau. Ein junges Mädchen aus solchem puritanischen Vaterhaus liest gern Romane, wie sie später Sir Walter Scott und Alexandre Dumas im romantischen Zeitalter, dem Bellinis, dichteten. Sie träumt von Helden wie den Drei Musketieren und von einem prachtvollen, königstreuen Kavalier. Überraschend wird sie mit einem solchen Helden verlobt. Dann aber muss sie glauben, ihr Liebster habe sie verlassen. Er ist tatsächlich königstreu und mit der Rettung der Königinwitwe beschäftigt und von der Bildfläche verschwunden. Das junge Mädchen verfällt in Wahnsinn. Die Oper Bellinis ist mit den wohl schönsten Melodien Italiens ausgestattet. Mit Hilfe solcher Musik siegt am Ende die Liebe. Die in Chor-Ensemble-Szenen dicht integrierten Melodien führt die liebenden Träumer – gegen alle Wahrscheinlichkeiten des Lebens – sicher durch alle Verletzungen und Gefahren ihrer unerbittlichen Zeit. Die tragische Pointe der hinreißenden Stuttgarter Inszenierung liegt darin, dass zuletzt das Mädchen und ihr Kavalier selber im grauen Kleid der Puritaner im Kreise der Gemeinde einher marschieren. In der Rolle des Mädchens: der einzigartige Sopran Ana Durlovski. Regie: Jossi Wieler und Sergio Morabito. Musikalische Leitung: Giuliano Carella, Manlio Benzi.


► Die Meistersinger von Berlin
Man nennt die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, die vierte Berliner Oper. Jetzt brachte dieses Theater Richard Wagners DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG in einer besonderen Besetzung heraus: mit fünf Bläsern, zwei Klavieren, Schauspielern, sowie einem Tenor. Es singen und spielen Sophie Rois (Eva), Bernd Schütt (Hans Sachs), Max Hopp (Beckmesser); sämtliche Mitarbeiter der Volksbühne (Verwaltung, Bühne, Technik) bilden den Chor.
Regie: Frank Castorf. Bühne und Kostüme: Jonathan Meese. Musikalische Konzeption und Leitung: Christoph Homberger, Christoph Keller, Stefan Wirth.
Die überraschende und großartige Aufführung zeigt Wagners Werk ungekürzt. Es erweisen sich gerade in dieser Besetzung die überragenden Qualitäten Wagners. Es geht um Sinnlichkeit, bürgerliche Tugend, Revolution, Egozentrik und die deutsche Kunst. In der ausgedünnten Fassung: schlank und ohne Plüsch!
Eine komische Oper für Hartgesottene.


► Was bedeutet 12-Ton-Musik
Die wohltemperierte Tonleiter knechtet die Einzeltöne. Von Natur her sind die Töne, je nach Instrument, sehr verschiedenartig. In dieser Individualität werden sie durch die Einteilung in Oktaven gleichgeschaltet und zugleich hierarchisiert.
Die modernen Komponisten haben hiergegen rebelliert. Eine der Neuerungen war die Atonalität, der Ungehorsam gegen jegliche tonale Hierarchie: es gibt keine Haupt- und Nebenstraßen der Töne. Arnold Schönbergs 12-Ton-Technik ist eine der radikalsten Rebellionen: sie demokratisiert gewissermaßen die Töne, macht sie alle gleich wichtig und sortiert sie zu höchstmöglicher Innovation. In dieser Technik gelangen Schönberg selbst und einigen seiner Anhänger wie Alban Berg Geniestreiche. Die Methode hat aber auch eine planwirtschaftliche Komponente. Sie setzt gegen den Schematismus der Tonalität einen neuen Schematismus.
Wladimir Jurowski dirigierte an der Komischen Oper Berlin Arnold Schönbergs Oper MOSES UND ARON. An Beispielen aus dieser Aufführung erläutert er die 12-Ton- Musik. Wer die musikalische Moderne des 20. Jahrhunderts verstehen will, sollte die Öffnung, die Schönbergs Prinzip herstellt, kennen.
Begegnung mit dem Dirigenten Wladimir Jurowski.