Heute Abend im TV: Stalins Ingenieure (08.11.2016, 00:45 Uhr bei News & Stories auf SAT1)

Prof. Dr. Schattenberg: Technik zwischen Utopie und Terror
Unter dem Zaren trugen russische Ingenieure Uniform. Sie arbeiteten am Aufbau der jungen Industrie Russlands und am Bau der sibirischen Eisenbahn. Sie waren aber als „Söldner der industriellen Armee“ von ihren Dienstherren abhängig und ihrer Gesinnung nach konservativ.
Für die Revolution nach 1917 war dieser traditionelle Stand der Ingenieure unentbehrlich. Ende der 20. Jahre aber im Verlauf des ersten Fünfjahresplanes der Sowjetunion wurden sie zum Ziel einer politischen Kampagne. In großen Schauprozessen wurden Ingenieure zu hohen Strafen und einige zum Tode verurteilt. Der Terror sollte diese für die Industrialisierung wesentliche Unterklasse antreiben. Die Prozesse machten sie zugleich zum Sündenbock für die Fehler der überstürzten Industrialisierung.
In die durch den Terror freiwerdende Positionen rückten junge, bereits in der Revolutionszeit ausgebildete Fachkräfte neu ein: dies sind die eigentlichen Ingineure Stalins. Sie werden in den Schauprozessen von 1936 und 1937 ebenfalls dezimiert. Ihr Idol und führender Repräsentant, der Volkskommissar Ordschonokidze, beging Selbstmord.
Ohne den verbleibenden Rumpf an Stalins Ingenieuren ist aber weder der Flugzeugbau noch die Schwerindustrie, weder das spätere Weltallprogramm noch der Sieg Russlands im Zweiten Weltkrieg zu erklären. Die Lebensläufe weiblicher und männlicher Ingenieure geben ein spannendes Spiegelbild der wechselhaften Geschichte der Sowjetunion und der Revolution von 1917, die im Jahr 2017 auf ihr 100jähriges Jubiläum zurückblicken wird.
Die Osteuropaforscherin Prof. Dr. Susanne Schattenberg, Universität Bremen, berichtet.
 
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► Krieg auf dem Dach der Welt
dachIm 1. Weltkrieg versuchten Deutschland und die K.u.K.-Monarchie ihren Einfluss bis Persien, Afghanistan und Indien auszudehnen. Im Jahr 1917 wollten sie gerade dort eine Kriegsentscheidung erreichen. Der Süden Russlands und das „Dach der Welt“, also die Gebirge und Hochflächen Asiens, die von Turk-Völkern und anderen nicht-russischen Stämmen besiedelt waren, wurden zur Zone der Auseinandersetzung zwischen den Mittelmächten und Russland. Es waren Abenteurer, Offiziere, aber auch Geschäftsleute und Gelehrte, die sich an diesem Vorhaben „Wild-Ost“ beteiligten. Deutsche Banken und Unternehmen gründeten bereits Filialen und planten Eisenbahnlinien in jenem weit entfernten Gelände, das die Phantasie der Generalstäbler faszinierte.
Der Historiker Dr. Rudolf A. Mark, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, über das Projekt „Wild-Ost“ in den Jahren um 1917.