Neu im Catch-up Service: "Hallo, hier ist das Krokodil!"


Kinderbücher der Russischen Revolution 1920-1930
In der Zeit des Umbruchs nach 1917 in Russland richtete sich die Hoffnung auf die neue Generation der Kinder. Es erwies sich als schwer, die Erwachsenen in ihrer Masse für die neue Zeit zu gewinnen. Sie waren in der alten Zeit groß geworden, im Bürgerkrieg oft entwurzelt, viele waren Analphabeten. So glaubte man, den neuen Menschen von Grund auf bei den Kindern heranbilden zu können. „Von dem, was Künste und Poetik geben können, ist das Beste gut genug für die Kinder!“
Es entstand eine „revolutionäre Schatzkammer von Kinderbüchern“. Künstler und Poeten wie Daniil Charms, Majakowki, El Lisitzky, Tatlin, Marschak und Ossip Mandelstam schufen Kinderbücher oder beteiligten sich daran. Die Tradition russischer Kinderbücher hat Verbindung zu angelsächsischen Quellen wie „Mother Goose annotated“. Eines der beliebtesten Kindergedichte heißt „Telefon“ und stammt von der Leitfigur russischer Kinderliteratur Kornei Tschukowski. Ein Genosse schläft. Neben seinem Bett, sehr modern und elektrifiziert, steht das Telefon. Es ruft an: der Elefant aus Afrika. Gleich der nächste Anruf kommt vom Krokodil: „Ja, das vom Nil“. Das geht über panikanfällige Gazellen, über Affen („Ihr schickt uns Taschentücher, wir wollen Bücher, wir haben nichts zu lesen!“) bis zu einem traurigen Bären („Da telefonierte der Bär. Warum bist du so traurig, mein lieber Bär?
Da sagte er gar nichts mehr / Er war zu bewegt / Und hat aufgelegt“).
Die Slawistin Dr. Marinelli-König, Akademie der Wissenschaften Wien, über Kinderbücher in der russischen Revolutionsära von 1920 bis 1930.
► „Hallo, hier ist das Krokodil!“ (News & Stories, Sendung vom 03.02.2016)


Literaturempfehlung

kinderliteratur
Gertraud Marinelli-König: Russische Kinderliteratur in der Sowjetunion der Jahre 1920-1930. (Slavistische Beiträge)
Das sprichwörtliche Spiegelbild der Gesellschaft, als das die Kinderliteratur einer bestimmten Epoche gesehen werden kann, ist für das erste Jahrzehnt des Aufbaus der Sowjetgesellschaft von besonderer Relevanz. Die Analyse von Bilderbuchtexten, der Bilderbuchklassiker, der Massenliteratur zeigt uns heute, welche Perspektiven, Lebenswelten, Werte den Kindern im jungen Sowjetstaat vermittelt wurden. Analysiert werden Inhalte, literarische Verfahren, agitatorische Tendenzen, und es wird über theoriegeleitete und ideologische Diskussionen, die damals stattfanden, berichtet. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch der Literarizität der Texte selbst, vor allem von Bilderbüchern, die heute hohen Sammlerwert besitzen; waren sie doch Teil des avantgardistischen Kunstschaffens jener Zeit. Die hier veröffentlichte Dissertation, approbiert 1976 unter Prof. Günther Wytrzens am Institut für Slawistik der Universität Wien, basiert auf einem intensiven Quellenstudium in der Lenin-Bibliothek in Moskau und verfolgt einen faktographischen Ansatz. Ergänzt wurde das Verzeichnis der Primärliteratur um eine Anzahl zum Bestand des russischen Kinderbuchschaffens der 1920er Jahre zählender Titel.
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► Ein Rettungsboot namens Bildung
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Zu den beliebten Kinderbüchern gehört die „Hasenschule“. Tatsächlich aber gibt es Bildung und Institutionen des Lernens nur in menschlichen Gesellschaften. Der lateinische Begriff für Bildung heißt „Eruditio“: aus dem rohen Holz eine Form herausarbeiten. Dies entspricht einer früheren Vorstellung von Pädagogik.
Die modernere Vorstellung hält dem entgegen: Es ist besser, von den Kindern zu lernen. Deren Natur ist reicher als jede Erziehung sein kann. Man soll nicht das Alte einprägen, sondern eine neue Welt entwickeln, heißt es, bei Pestalozzi und bei Rousseau.
Die Romanistin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Verfasserin des Proust-ABC, über das „Rettungsboot namens Bildung“.


► Abschaffung der Sonn- und Feiertage in der Sowjetunion
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Der Wochenrhythmus von Menschen hat tiefe Wurzeln. Die Französische Revolution wie auch die Russische Revolution scheiterten an der Sieben-Tage-Woche. Mit Oskar Negt


► Was heißt „Russische Frauen“?
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Die „russische Frau“ gibt es nicht. Die meisten Vorstellungen, die seit 100 Jahren über russische Frauen im Schwange sind, bestehen aus Projektionen westlicher oder russischer Männer. Anna Karenina, die Frauen der Revolutionszeit von 1917 und die jungen Frauen von heute sind äußerst verschieden. Sind russische Frauen wild und spirituell? Sind sie zunehmend ehrgeizig und westlich? Die Slawistin Prof. Dr. Oksanana Bulgakowa berichtet.