Neu im Catch-up Service: Blick auf eine verschollene Epoche


Jürgen Osterhammel: Panorama des 19. Jahrhunderts
Man kann sich im 21. Jahrhundert nicht orientieren, wenn man die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nicht kennt. Man wird aber auch das 20. Jahrhundert nicht verstehen, wenn man die Elemente des 19. Jahrhunderts nicht erfasst hat: in diesem Jahrhundert entwickelt sich erstmals die Große Industrie. Es ist das Jahrhundert der Eisenbahn, die Zeit der Herausbildung der Nationen, eine Zeit der Expansion Nordamerikas, nicht zuletzt liegen in diesem Jahrhundert die Geburtsjahrzehnte der Elektrizität und des Films.
Der Historiker Jürgen Osterhammel ist der bedeutendste Kenner der Strukturen des 19. Jahrhunderts und zeichnet verantwortlich für den maßgebenden Band über dieses Jahrhundert, Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, in Reclams Universalbibliothek.
Begegnung mit Jürgen Osterhammel.
► Blick auf eine verschollene Epoche (10 vor 11, Sendung vom 12.03.2018)


Literaturempfehlung

In dieser grandiosen Weltgeschichte des 19. Jahrhunderts erzählt Jürgen Osterhammel kundig, schwungvoll und facettenreich die Geschichte einer Welt im Umbruch. Aus einer Fülle an Material und einer Vielzahl unterschiedlicher Blickwinkel entsteht dabei das tiefgründige Porträt einer faszinierenden Epoche.
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► Europa, das unbeschriebene Blatt
Was heißt: ich bin ein Europäer? Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU, aber europäisch. Zypern ist Mitglied der EU, aber gehört zum Nahen Osten. Was ist ein europäischer Patriotismus?
Prof. Dr. Joseph Vogl, Literaturwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin, geht aus von der Frage: was heißt SOUVERÄN? Der Begriff, der die Entwicklung der Territorialstaaten seit dem Westfälischen Frieden von 1648 begleitete, bedeutet: Menschen können über ihr Schicksal selber entscheiden. Diese politische Atemluft muss an der Basis und an der Spitze eines Gemeinwesens reichhaltig vorhanden sein.
Das jüngste Buch von Joseph Vogl über das „Gespenst des Kapitals“ wurde zum aktuellen Thema. Die Frage, wie verhalten sich europäische Problemketten, wie verhält sich der Markt zur demokratischen Souveränität des jeweiligen Landes, stellt die Analyse Joseph Vogls in ein wirkungsvolles Licht.


► Die heroische Epoche
Europa war mehr als 400 Jahre geprägt durch die Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich. Heute bildet die Kooperation zwischen diesen beiden Ländern die Zukunftschance für Europa. Einen Höhepunkt hatten die Beziehungen zwischen den beiden Nationen in der heroisch-klassischen Zeit um 1800, sowohl in freundlicher wie in feindlicher Hinsicht. Napoleon, Goethe, Kleist, Kant, setzten die Zeichen.
Der Historiker Prof. Dr. Étienne François, Freie Universität Berlin, berichtet.


► Psychotechnik und Avantgarde
Die russische Revolution bedeutete für die Avantgarde eine Stunde Null. Das Schwarz im legendären Quadrat von Malewitsch war offen für alle Farben. Es durchbricht die Anbetung des Lichts und wendet sich gegen die „Tyrannei der Sonne“. Der Architekt Nicolai Ladovsky gründete ein Laboratorium, in dem die Fähigkeiten des Wohnens, des Sehens, des Bauens und des Zusammenlebens neu auf den Prüfstand gestellt wurden. Der neue revolutionäre Mensch braucht renovierte Sinne. Dem Architektenkollegen Corbusier, der während seines Moskauaufenthalts gastweise sich in Ladovskys Laboratorium testen ließ, wurde mangelndes architektonisches Sehen und eine falsche Auffassungsgabe was Räume betrifft bescheinigt.
Ganz anders die Arbeiten des jungen Filmregisseurs Wsewolod Pudowkin, der seinen ersten Film über das Institut des Physiologen Pawlow und dessen Hundeversuche machte. Wiederum ganz anders war der Ansatz von Alexander Bogdanow, des Begründers der Proletkult-Bewegung, die zeitweise mehr Mitglieder aufwies als die bolschewistische Partei. Er propagierte die radikale Zusammenarbeit von Stadt und Land und die „Organisation gesellschaftlicher Erfahrung“. Er vertrat aber auch die „Sozialisierung des Blutes“. Der Gleichheit nähern wir uns erst an, wenn die älteren Menschen massenweise ihr „erfahrenes“, immunologisch gefestigtes Blut mit dem junger Menschen austauschen. Deren Blut wiederum bringt den Alten neue Kraft und Lebensverlängerung. Bei einem Selbstversuch in dieser Richtung starb Alexander Bogdanow aufgrund der Organabstoßung, die den menschlichen Immunkräften eigen ist.
Wie bei einer Explosion streben die Tendenzen der Avantgarde unmittelbar nach 1917 in alle Richtungen vorwärts und auseinander. Alles dieses Neue wird nach wenigen Jahren durch die aufkommende Bürokratie erstickt.
Die Osteuropaforscherin Dr. Margarete Vöhringer über die revolutionäre Welt unmittelbar nach 1917 in Russland.


► Homo migrans
Flucht und Migration von Menschen, wie wir sie heute erleben, ist keine Ausnahme, sondern eine Dauererscheinung der Geschichte. Es sind oft die gleichen Grenzübergänge. Aus Ungarn z.B. fliehen über die gleichen Stationen 1956, nach Niederschlagung des ungarischen Aufstands gegen die Russen, die Ungarn selbst in den West. 1989 kamen über die gleiche Grenze die DDR-Flüchtlinge. Und heute ist es der Flüchtlingsstrom aus Syrien.
Migration existiert seit unsere Vorfahren aus Afrika, vor etwa 120.000 Jahren, auswanderten und die Welt eroberten. Große Migrationsschübe im 19. Jahrhundert aus Hunger und aus politischen Gründen sollten wir auf dem Hintergrund der Gegenwart neu in Erinnerung bringen. Deutsche Auswanderer waren für die Besiedelung der U.S.A. entscheidend. Migration ist ein weitgehend noch unerforschtes Gebiet.
Der Migrationsforscher und Regierungsberater Prof. em. Dr.  Klaus J.  Bade, Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), berichtet.


► Tausche Waffenstillstand gegen Kunst

Europa war mehr als 400 Jahre geprägt durch die Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich. Heute bildet die Kooperation zwischen diesen beiden Ländern die Zukunftschance für Europa. Einen Höhepunkt hatten die Beziehungen zwischen den beiden Nationen in der heroisch-klassischen Zeit um 1800, sowohl in freundlicher wie in feindlicher Hinsicht. Napoleon, Goethe, Kleist, Kant, setzten die Zeichen.
Der Historiker Prof. Dr. Étienne François, Freie Universität Berlin, berichtet.