Neu im Catch-up Service: Im Urwald, wo die wilden Wörter wohnen


Ann Cotten, geboren in Iowa/USA, lebt in Wien und Berlin. Der Vers: „Im Urwald, wo die wilden Wörter wohnen, befand ich mich als ich das Einhorn ritt“, stammt aus ihrem ersten Gedichtband „Fremdwörterbuchsonnette“, ein Werk, mit dem sie sich als Lyrikerin bereits an die Spitze setzte. Sie erhielt den Hugo-Ball-Preis (genannt nach dem berühmten Dadaisten), den Klopstock-Preis und viele andere Auszeichnungen.
Wie geht eine moderne Lyrikerin mit dem Netz um? Woran erkennen sich Lyriker untereinander? Wie viele Dichter braucht eine Gesellschaft? Lyrische Dichtung, wie sie auch das Werk von Elfriede Mayröcker enthält, gibt heute der Sprache die größte Freiheit, fern vom Sinnzwang, den die Medien oder die Dramatik des Sprechtheaters ausüben. Die heutige Öffentlichkeit, die gegenüber der klassischen Öffentlichkeit starke Verfallserscheinungen aufweist und doch zu schwach ist, eine selbstbewusste neue Öffentlichkeit des 21. Jahrhunderts oder gar Gegenöffentlichkeiten zu gründen, braucht die Ausdrucksstärke, die in der Sprache steckt, wenn man die rebellischen Wörter loslässt. Umgekehrt: „Sinnzwang stört die Melodie der Sprache und damit auch deren praktischen Sinn.“
Begegnung mit der Lyrikerin Ann Cotten.
► Im Urwald, wo die wilden Wörter wohnen (10 vor 11, Sendung vom 11.12.2017)


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► Meine Gefühle, diese Wanderer nachts
Anja Plaschg nennt sich als Musikerin „Soap&Skin“. Ihre Songs gehören in Wien und vielen anderen Orten zum Kern der Szene. In dem Film „Die Geträumten“ von Ruth Beckermann tritt sie als Sprecherin auf. Eindrucksvoll liest sie die Briefe der Lyrikerin Ingeborg Bachmann, die diese mit ihrem lebenslangen Geliebten, dem Lyriker Paul Celan, austauschte: Starke Texte – durch den Sprecher des Paul Celan, einen Schauspieler, und Anja Plaschg, eine Musikerin, mit Leben ausgefüllt.
Bei ihrem Auftritt in Berlin kommentiert „Soap&Skin“ ihre Rolle als Ingeborg Bachmann und trägt eigene Lieder vor. Der Satz „Meine Gefühle, diese Wanderer nachts“  stammt von Ingeborg Bachmann. Der Satz heißt vollständig: „Dass ich sehen kann, dass ich hören kann, das verdiene ich nicht, aber meine Gefühle, die verdiene ich wahrhaftig. Diese Reiher über weißen Stränden, diese Wanderer nachts … die mein Herz zur Landstraße nehmen.“


► Schreiben als Lebensart
Besonders informativ sind Tagebücher, von denen der Autor annahm, dass sie nie veröffentlicht würden. Sie sind intim und authentisch. Zugleich enthalten sie bei Menschen, zu deren Leben das Schreiben gehört, Fundstücke literarischer Erzählungen, die keiner Planwirtschaft unterliegen. Oft sind das Texte, die noch besser sind als die in den Romanen veröffentlichten.
Schon 1951 ist deutlich, dass Martin Walser sein Leben dem Schreiben widmen wird. Wichtige Zeiten sind das Jahr, in dem Martin Walser, der am Sender Stuttgart für Hörspiele und als Dokumentarfilmer für die unübertroffene Hauptabteilung Dokumentarfilm im beginnenden Fernsehen arbeitet, seine Film über die Republik Polen herstellte. In diesem Jahr wäre Martin Walser beinahe gestorben. Eine Assistenzärztin rettete ihn aus der Klinikfabrik, indem sie dafür sorgte, dass sein Gallenblasenverschluss im letzten Moment operiert wurde.
Begegnung mit Martin Walser aus Anlaß seines Buches „Leben und Schreiben: Tagebücher 1951 – 1962“. Ein Gespräch über Kernpunkte des poetischen Schreibens und die Erzähltradition der Kelten.


► Zur Person: Günter Grass
Interviewpartner ist Günter Grass, JG 1927, Schriftsteller, Grafiker, Bildhauer. ER gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dichter der Gegenwart. Aus seiner DANZIGER TRILOGIE wurde besonders DIE BLECHTROMMEL berühmt (1959), nicht zuletzt wegen der mit einem Oscar ausgezeichneten Verfilmung von Volker Schlöndorff.
Grass‘ literarisches Werk hat im In- und Ausland viele Verehrer, ist vor allem auch deshalb nicht unumstritten, weil sich der Dichter auch mit Vehemenz in aktuelle Diskussionen einmischt (zuletzt: „Ein weites Feld“, 1996). Aufsehen erregte Grass‘ scharfe Kritik an der bundesdeutschen Asylpolitik, die er in seiner Laudation auf Yasar Kamal zum Ausdruck brachte anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an den türkischen Autor.


► Der Autor als Anwalt der Zukunft
Das Genre des kommerziellen Science-Fiction-Romans erfindet Welten, in die die Phantasie auswandern kann: Exodus aus Wirklichkeit und Gegenwart. Die großen Poeten dagegen, wenn sie sich mit Zukunft befassen, spiegeln die Gegenwart, indem sie von zukünftigen Verhältnissen berichten. Großmeister in dieser authentischen Form des Zukunftsromans ist der polnische Dichter Stanislaw Lém. Über die Gegenwart Polens darf er (wegen der Zensur) nicht viel erzählen. Also hat er die wohl besten Science-Fiction-Romane der Welt geschrieben. Zum Beispiel SOLARIS, die Geschichte einer Sonne, die ein Lebewesen ist oder die vielen Geschichten vom Raumpilot Pirx. Ganz anders in der Formulierung, aber parallel in der Authentizität des Poetischen: Arno Schmidt. Seine Gelehrten auf dem Mond und der Held seines Romans SCHWARZE SPIEGEL, der die Katastrophe des Kalten Kriegs überlebte, gehören zu den Meisterwerken des phantastischen Realismus.
Der Literaturwissenschaftler Dr. Bernd Flessner berichtet.