450 Jahre Monteverdi


► Monteverdi in den Fängen der Inquisition
Claudio Monteverdi hat die Oper erfunden und schrieb hinreißende Liebes- und Kirchenmusik. Erst neuerdings wurde bekannt, dass ein Rivale, der Musiker und Kritiker Artusi, Monteverdi im Auftrag der Inquisition öffentlich angriff. Das war für Monteverdi so gefährlich wie es im 20. Jahrhundert ein Angriff in der PRAWDA für den Komponisten Dimitri Schostakowitsch war. Der Angriff bezog sich darauf, dass Monteverdi in seinen ernsten Musikstücken (z.B. Lamento d’Arianna) aus Gründen des tiefen Gefühls Dissonanzen verwendete, die nach dem Kanon der Kirche „nicht erlaubt“ waren. Monteverdi antwortete öffentlich durch eine Kampfschrift: Die Sprache der Musik ist nicht die der Worte.
Die Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Linda Maria Koldau, Universität Utrecht, berichtet.
 


 
► Der wilde Atem der Musik
Seit die Menschheit das Feuer erfand und sich in den Höhlen unserer Vorfahren auf diese Weise nachts Wärme verbreitete, entstanden auch die Sprache und die WILDE MACHT DER MUSIK. Kürzlich wurde auch der Kadaver eines Mammutbabys aus der Eiszeit ausgegraben und in der eisigen Kälte frischgehaltene Fleischstücke der japanischen Küche zugeführt.
Helge Schneider verbindet solche Urwelteindrücke mit der robusten Gegenwart. Er tritt auf als Chefdirigent eines der hervorragendsten Orchester Europas, am Mook-Synthesizer, als Kaiser Nero und in weiteren Rollen. Überall aber geht es um Musik: von der Altsteinzeit über Monteverdi bis zu Sir Simon Rattle.
 

► Die Ohren sind ein Hirn für sich
Seit der Antike begleitet die Musik die menschliche Erfahrung. Dabei besitzt sie, sagt der Harvard-Professor John T. Hamilton, eine glückliche, tröstende und eine unheimliche Seite. Darüber arbeitet er in seinem Projekt „Musik und Wahnsinn“.
Da, wo die Sprache aufhört, beginnt die Musik. Dort, wo die Begriffe nicht mehr gelten, beginnt auch der Wahn. An Beispielen von Heinrich von Kleist, E.T.A. Hoffmann, des Orpheus-Mythos und an Ausschnitten von ORFEO von Monteverdi und anderen Opern zeigt Hamilton die emotionale Verknüpfung in diesem Zusammenhang: Musik ist nicht harmlos, sie besitzt auch Gewalt.
So ist Orpheus fähig, die Götter der Unterwelt mit seiner Musik zu rühren. Kurze Zeit später wird er von den wilden Frauen Thessaliens umgebracht. So ist zwar die Flöte ein Naturprodukt, die wunderbare und poetische Lyra stammt dagegen aus den Sehnen im Hals des abgeschlagenen Hauptes der Medusa.
Die Musik, behauptet Professor Hamilton, ist eine zweite Sprache der Menschen, vermutlich die ursprüngliche. Die Ohren nämlich sind ein „Hirn für sich“.
Begegnung mit Prof. John T. Hamilton.
 

► Avantgarde in der Musik
Helmut Lachenmann, der bei Luigi Nono lernte, gehört zu den Avantgardisten in der Musik. Aus Anlass der Neuaufführung seiner Oper DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN spricht er über Kernfragen der musikalischen Moderne. Diese Moderne ist, zumindest was Oper betrifft, stärker als man gewöhnlich annimmt, in den alten Meistern der Musik verankert, sozusagen direkter Abkömmling der frühesten Oper der Welt: ORFEO von Monteverdi.
Mit Ausschnitten aus den Opern ORFEO, ODYSSEUS und POPPEA von Monteverdi, WOZZEK von Alban Berg und der WALKÜRE von Richard Wagner. Avantgarde entsteht nicht durch subjektiven Entschluss, sondern ist durch die gegenwärtige Zeit objektiv vorgegeben. Beim Komponieren geht es fast nie bloß um Absichten, sondern um die Hingabefähigkeit an die Sache.
Ein Grundsatz von Helmut Lachenmann: „Vergiss dich, dann findest du dich!“ Musik ist durch die Zeiten hindurch ein Kontinuum, nicht bloß Sache des einzelnen Komponisten.
Begegnung mit Helmut Lachenmann.