Heute Abend im TV: Keinen Plan zu haben ist der Plan (04.04.2017, 00:45 Uhr bei News & Stories auf SAT1)

Christoph Keese: Wie antwortet man auf Digitale Disruptoren?
Das Stichwort heißt: Disruption. Konkurrenz hat es immer gegeben. Man kennt auch das Wort des Ökonomen Joseph Schumpeter von der „schöpferischen Zerstörung“, mit der der Kapitalismus die Industrien mitsamt Menschen in die Zukunft reißt. Völlig neu jedoch und Charakteristik der digitalen Welt ist die Abwertung ganzer Märkte und Produktionsstile in kurzer Zeit durch angreifende Start-Ups und die neuen Intelligenzzentren im Westen der USA, die wir derzeit beobachten. Wie antwortet man darauf als europäischer Patriot?
Christoph Keese hat schon in seinem Buch SILICON VALLEY zu dieser Frage Akzente gesetzt. In seinem neuen Buch SILICON GERMANY geht es darum, wie wir, mit den Mitteln unseres Landes, auf die Herausforderung der Disruption antworten, einem Angriff, der klassische Hierarchien so zügig aus dem Weg schafft, wie einst die Dinosaurier aus der Welt verschwanden.
Keeses Analyse ist nirgends schwarzseherisch. Sie geht aus von gründlicher Kenntnis der Chancen, welche die künstliche Intelligenz und die Algorithmen besitzen. Wenn uns nichts Besseres einfällt, sagt er, müssen wir in kannibalische Disruptoren unsererseits investieren. Wir können aber auch durch Kooperation, das was wir haben, und was die Angreifer nicht haben, zusammenlegen: ökonomisch und bei der Gestaltung einer selbstbewussten Öffentlichkeit.
Im Zentrum von Christoph Keeses Überlegungen steht die Metapher von David und Goliath. In jenem biblischen Zweikampf stand ein schwer gepanzerter Riese, Goliath, nach allen klassischen Gesichtspunkten überlegen, dem winzigen David gegenüber. David, der Fernkämpfer, aber schoss dem Riesen in den Kopf, ehe der den Angriff überhaupt bemerkt hatte. Der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bewährte rheinische Kapitalismus beruhte auf einem Vertrauen in soliden Maschinenbau, in ingenieursmäßige Perfektion und auf möglichst klaren Entscheidungen in der Unternehmensspitze: ein gut gerüsteter Goliath. Wir leben in einem Ernstfall, in dem diese Zurüstüng allein nicht genügt. Ist es möglich, fragt Christoph Keese, einen Goliath zu zerlegen und „innovativ zu davidisieren“?
Begegnung mit Christoph Keese
 
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► Silicon Valley
In der Bucht von San Francisco liegen zwei Welten einander gegenüber: am einen Ufer eines der dominanten und offensten Zentren freier Wissenschaft – die Berkeley University. Am anderen Ufer die weniger renommierte Stanford University – „Keimzelle“ und „Brutreaktor“ für das mächtigste Tal der Welt: das Silicon Valley. In diesem legendären Tal entsteht ein virtueller neuer „Kontinent der unbegrenzten Machbarkeit“. Es handelt sich um eine Intelligenzform, eine Lebenskultur, eine Doktrin und eine überwältigend große reale Macht. Mancher Europäer, der im 21. Jahrhundert hierher gelangt, kann sich in der Rolle eines Eingeborenen fühlen, der im 19. Jahrhundert, zu Beginn der Industrialisierung, nach London fährt. In Palo Alto und im Silicon Valley entsteht aus Intelligenz, Toleranz und digitaler Technologie Innovation. Zugleich entstehen neue Monopole. Die strengen Algorithmen, denen die digitale Zukunftswelt von Silicon Valley folgt, grenzen wesentliche Lebenswelten offensichtlich aus. Für uns in Europa ist es wichtig, diese zweite „neue Welt“, die keinen landsmannschaftlichen nationalen oder klassischen Formaten gehorcht, kennenzulernen und zu verstehen. Sowohl für das Ziel zu partizipieren und zu kooperieren als auch für das Ziel, selbstbewusst mit Eigenem darauf zu antworten. Das ist durch Stippvisiten und touristische Besuche nicht zu erreichen.