Neu im Catch-up Service: Ich hasse mich, wenn ich lüge


Das unbestechliche Auge: Thomas Mauch, Kameramann (*1937)
Die Lebenszeit des Kameramannes und Filmemachers Thomas Mauch deckt zwei Drittel der Filmgeschichte ab: so jung ist der Film. Thomas Mauch war Kameramann von Werner Herzog, Edgar Reitz, Werner Schroeter und vielen anderen Regisseuren des Jungen Deutschen Films. Seine eigenen Arbeiten bilden ein unverwechselbares Werk. Kameramänner wie Michael Ballhaus und Thomas Mauch sind für die Filme ihrer Ära genauso wichtig wie die Regisseure, die üblicherweise in Zusammenhang mit berühmten Filmen genannt werden. Das Auge der Kamera ist unbestechlich und korrigiert immer wieder das menschliche Auge, das keine Brennweiten kennt und je nach Phantasie die Bilder, die es sieht, verändert. Noch unbestechlicher als die zahlreichen Optiken der elektronischen und der traditionellen Kameras ist aber das Auge jener Künstler, die die Kamera beherrschen. Wie Goya sagen sie: „Io lo vi“, „das habe ich gesehen“.
Portrait des Kameramanns und Filmemachers Thomas Mauch aus Anlass seines 80. Geburtstags im April 2017.
► Ich hasse mich, wenn ich lüge (News & Stories, Sendung vom 14.02.2017)


Sehen Sie dazu auch auf dctp.tv:

► Feuerwerk über dem Reichstag
Das Feuerwerk von André Heller nahm wenige Jahre vor dem Mauerfall die Wiedervereinigung voraus. Ein sensationeller Erfolg. Originalfilmaufnahmen von Günter Hörmann und von Thomas Mauch.


► Michael Ballhaus: Mit Licht kann ich zaubern
Für ein Drittel des Zeitraums, der die Filmgeschichte umfasst (es gibt Kino seit 1895), hat Michael Ballhaus für den Film gearbeitet. Vor seiner Kamera standen Stars wie Leonardo DiCaprio, Robert De Niro und Jack Nicholson; er drehte mit Regisseuren wie R.W. Fassbinder, John Redford, Frank Coppola und Martin Scorsese. Er ist der berühmteste Kameramann Deutschlands. Nach einem besonders harten Drehtag berichtet er von seinen Erfahrungen. Was ändert sich für den Film in der digitalen Welt? Welche Besonderheiten des klassischen Films behalten ihr Potenzial in dieser neuen Umgebung?


► Wie sich die Seele nährt von Licht und Dunkel
Lichtwellenberge strömen in die Optik der Filmkamera ein und in dieser „Rhythmus-Maschine“ werden sie mit Dunkelheit versetzt. So entstehen Filme. Das Kinoerlebnis besteht aus solchen Lichtfrequenzen und nicht nur aus der „Handlung“ eines Films. Der Filmmacher Werner Nekes spricht von „Cinématographischen Feldern“. Diese, sagt er, bilden Zeitspeicher. Die Filme (Vorläufer des Films hat er zurück ins 15. Jahrhundert gesammelt) sind für lebendiges Leben viel notwendiger als man glaubt. Die Seele nährt sich nämlich von Licht und Dunkel. Eine Begegnung mit einem der Bedeutendsten Film-Avantgardisten in der Welt.


► Der mit den Bildern tanzt
Direkt neben einem Flugplatz in einem Vorort von Paris liegen die riesigen Hallen, in denen Anselm Kiefer an seinen Bildwerken arbeitet. Er lebt inmitten seiner Bilder. Neue Werke haben sich im letzten Jahr gehäuft. Kiefer nennt diese Ateliers sein „Arsenal“: seine Waffenkammer. Die großen Flächen seiner Bilder empfindet der Künstler als „Bühne“. Er malt, sagt er, nicht nur mit dem Kopf und den Augen, sondern mit dem ganzen Körper, mit den Muskeln, der Haut und allen Sinnen. Im Grunde „tanze ich meine Bilder“.
Wenn er in der Frühe aufsteht, greift er zunächst zu Büchern. An ihnen entzündet sich sein Kopf. Im Atelier stehen z. B. die zahlreichen Bände von Grimms Wörterbuch. Texte, Klänge und Bilder gehören für Kiefer zu einer Einheit.
Wie Menschen (und die Kunst, welche die Menschheit seit den Anfängen begleitet) beruht auf einem „Stau an Unwahrscheinlichkeiten“. Im Kosmos müssen drei Sonnen explodieren, damit die Materie entsteht, die wir in unseren Zellen täglich umhertragen. Noch unwahrscheinlicher war es, dass das Leben aus seinen Anfängen, über Katastrophen und Einschläge von Himmelskörpern hinweg, wie durch Nadelöhre den Weg durch die Krisen, die das Leben zeitweise fast ganz auslöschten, bis zu unserer Gegenwart fand. Mit diesen Zuständen und Rätseln der Evolution geht das Werk von Anselm Kiefer um.
Als junger Mann war Kiefer als Kellner tätig. Abends verspielte er in der Spielbank, was er verdient hatte. Neben dem Platz, an dem er arbeitet und jetzt berichtet, befindet sich eine Skulptur: Ein Hufeisen unter Glas, befestigt an einem seidenen Faden.
Wie malt man, dass sich die Götter der Antike derzeit aus der Ägäis entfernt haben? Wie würde man den Zentauren Chiron darstellen, von dem Hölderlins Gedicht handelt? Könnte man in Analogie zu Leonardo Da Vinci die Anatomie eines Kentauren skizzieren? An der Wand des Ateliers hängt das große Bild eines Gewässers. Auf das Bild ist ein Sperrgitter montiert. In der Mitte des Gitters zeigt sich ein Riss, durch den Riss fährt ein U-Boot. Das Sperrgitter stammt aus einem See bei Berlin und diente als Sperre, die Flüchtlinge aus der DDR am Überschreiten der Unterwassergrenze hindern sollte. Verblüffend ist die Nähe und Identität radikal verschiedener Erfahrungsbereiche in Kiefers Werk. Wissenschaft und Evolution, Geheimlehren (wie die des alchemistischen Dr. Fludd), Gegenwart, Geschichte, nur visuell fassbare Gebilde und literarische Texte, die von Ingeborg Bachmann über Hölderlin bis Heraklit zurück reichen, verbinden sich zu unverwechselbaren Einheiten. „Klugheit ist die Kunst, unter verschiedensten Umständen treu zu sein“. Das ist ein Satz Hölderlins, der sich ebenso auf die Antigone wie auf Sokrates bezieht. Anselm Kiefer prüft, ob man mit einem Bild auf solch einen Satz antworten kann.
Besuch bei Anselm Kiefer in Paris.