Neu im Catch-up Service: Das Mädchen mit dem Kavalier im Kopf

Vincenzo Bellinis I PURITANI an der Staatsoper Stuttgart
Die Handlung der letzten Oper des Genies Vincenzo Bellini, bevor er im Alter von 34 Jahren starb, spielt in England in der Zeit der Puritaner. Die Puritaner sind eine religiös-sektiererische Massenbewegung, die so viel Macht hatte, zwei Königen das Haupt abzuschlagen: gegen alle Sinnlichkeit eingestellt, fanatisch, in erotischer Hinsicht grau.
Ein junges Mädchen aus solchem puritanischen Vaterhaus liest gern Romane, wie sie später Sir Walter Scott und Alexandre Dumas im romantischen Zeitalter, dem Bellinis, dichteten. Sie träumt von Helden wie den Drei Musketieren und von einem prachtvollen, königstreuen Kavalier. Überraschend wird sie mit einem solchen Helden verlobt.
Dann aber muss sie glauben, ihr Liebster habe sie verlassen. Er ist tatsächlich königstreu und mit der Rettung der Königinwitwe beschäftigt und von der Bildfläche verschwunden. Das junge Mädchen verfällt in Wahnsinn.
Die Oper Bellinis ist mit den wohl schönsten Melodien Italiens ausgestattet. Mit Hilfe solcher Musik siegt am Ende die Liebe. Die in Chor-Ensemble-Szenen dicht integrierten Melodien führt die liebenden Träumer – gegen alle Wahrscheinlichkeiten des Lebens – sicher durch alle Verletzungen und Gefahren ihrer unerbittlichen Zeit.
Die tragische Pointe der hinreißenden Stuttgarter Inszenierung liegt darin, dass zuletzt das Mädchen und ihr Kavalier selber im grauen Kleid der Puritaner im Kreise der Gemeinde einher marschieren.
In der Rolle des Mädchens: der einzigartige Sopran Ana Durlovski. Regie: Jossi Wieler und Sergio Morabito. Musikalische Leitung: Giuliano Carella, Manlio Benzi.
► Das Mädchen mit dem Kavalier im Kopf (10 vor 11, Sendung vom 23.01.2017)


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► Vom Kampf der Liebe in hasserfüllter Welt

Im Winter 1835 haben in Paris zwei sensationelle Opern Uraufführung: DIE JÜDIN von Jacques Fromental Halévy und I PURITANI von Vincenzo Bellini. Beide handeln in einer Welt des religiösen Fanatismus: die eine 1414 im Kampf zwischen Christen und Juden, die andere in der Zeit, in der Cromwell den König von England enthaupten ließ (1649). Diese Puritaner haben in England das Parlament und die Armee hinter sich gebracht. Sie haben in den Kirchen die Bilder zertrümmerte und Buntheit, Sinnlichkeit und Lebenslust aus der Gesellschaft verbannt. England im Protest. Ein Brexit auf dem Gebiet der Religion.
In Bellinis Meisteroper geht es um ein junges Mädchen voller Lebenshunger. Sie ist die Tochter eines Chefs der Puritaner. In ihrem Kopf hat sie Geschichten von Prinzen, Rittern und den Drei Musketieren. Sie wünscht sich einen königlichen Kavalier. Der steht plötzlich (gegenüber den Puritanern verkleidet) vor ihr. Die Hochzeit wird vorbereitet. Da muss aufgrund einer Intrige dieser Kavalier, genannt Lord Arturo, fliehen. Elvira, das junge Mädchen, verfällt in Wahnsinn.
Oberst Riccardo, ein fanatischer Puritaner, ist auf Elvira gierig und eignet sich die junge Frau an. Elvira durchlebt ein Martyrium. Zugleich bleibt sie widerspenstig, hartnäckig ihrer Liebe zu Arturo verfallen, und am Ende siegreich: Der geliebte Mann kehrt zurück. Je verrückter die Puritaner sich aufführen, desto mehr gewinnt Elvira ihren Verstand zurück.
Bellini hat wie schon in seiner LA SONNAMBULA (die Schlafwandlerin), eine Traumoper geschaffen. Es ist seine letzte und größte Oper, ehe dieses Genie im Alter von 34 Jahren stirbt. Die Staatsoper Stuttgart hat dieses selten gespielte Werk in ein neues, ganz modernes Gewand gekleidet. Bühnenbild und Kostüme: Anna Viebrock. Regie führen der Intendant Jossi Wieler und sein Chefdramaturg Sergio Morabito. Es geht um einen Kampf. Die großartigen Melodienbögen Bellinis ringen mit der kalten, abweisenden Welt des religiösen Fanatismus.
Bei Bellini werden die Puritaner nicht historisch dargestellt, wie in der Vorlage, die auf Sir Walter Scott zurückgeht. Die Inszenierung holt das nach und fügt zur Oper die Zeitgeschichte der Dramatik wirksam hinzu. Den religiösen Fanatikern unserer Jetztzeit, z. B. in Syrien, stehen die „Besessenen“ des 17. Jahrhundert in England in nichts nach. Aus dem Geist dieses Sektierertums kommen aber auch die Pilgerväter, welche die USA mitbegründeten. In weltlicher Form wird der Calvinismus (von dem 2017 unter dem Motto „500 Jahre Reformation“ weltweit die Rede sein wird) in Amerika zu einem Teil des Selbstbewusstseins der westlichen Zivilisation in der Stoßrichtung Freiheit und Wertegemeinschaft.
Alles dies wird in der Stuttgarter Inszenierung lebendig ausgebreitet in den großen Chören, den mit den Ensembleauftritten verbundenen Duetten, Terzetten und Quartetten. Niemand hat je Vincenzo Bellinis in solcher Musik übertroffen.
Überragender Mittelpunkt ist der Sopran der Ana Durlovski. Die junge Mazedonierin singt, spielt und tanzt die Rolle der Elvira wie sie noch nie zu sehen war: vom Leben leicht verführbar, aber unbestechlich in der Liebe. Das Paar Lord Arturo und Elvira verfügt über die schönsten Liebesduette der Opernliteratur.
Ein Doppelprogramm von 90 Minuten.


► Alarich, König der Goten

Schwer erkältet und auf der Durchreise von Chicago: der berühmte Kammersänger Edouard de Reszke. Er singt die Rolle des ALARICH in der gleichnamigen Oper von Vincenzo Bellini. Es geht um den Eroberer von Rom und Ostgotenkönig Alarich, der in Unteritalien plötzlich stirbt. Peter Berling als Edouard de Reszke.
 
 
 


► Eine Frau wie ein Vulkan

NORMA von Vincenzo Bellini. Mit dem Sopran Alexandra von der Weth in der Hauptrolle und Gabriel Sadé als verräterischer Römer. Musikalische Leitung: John Fiore. Der Film hatte Premiere auf den Festspielen in Venedig.