Heute Abend im TV: Schiffbruch mit Zuschauer (18.07.2016, 0:30 Uhr bei 10vor11 auf RTL)

Hans Blumenbergs Metapher für die „Odyssee der Moderne“
Ursprünglich gelten Kontinente, die von Menschen nicht besiedelt werden – auch deren Klippen, an denen Schiffe scheitern – als Bild der Unsicherheit und als Monster. In der Moderne dagegen gilt das Meer und damit die Schiffe und der Schiffsbruch als Orte der Gefahr. Der Philosoph Hans Blumenberg gebraucht die Metapher des Schiffsbruchs, um den Weg der Menschheit in die Moderne zu beschreiben: Das Scheitern der Französischen Revolution, das Sich-in-Bewegung-setzen der Moderne und ihre rhythmischen Krisen vergleicht er mit einer Schiffsreise und einem permanenten Schiffsbruch. Wir, die Zuschauer, stehen dabei nicht etwa am Ufer. Wir erleben das Schiff und sein Zerbrechen als Mitfahrende und es kommt darauf an zu lernen, aus den Trümmern gescheiterter Schiffe ein neues Schiff zu bauen. Zumindest ein Floss.
In der Kunst ist die Grundmetapher hierfür das „Floss der Medusa“. Nach Napoleons Verbannung fährt ein französisches Kriegsschiff nach Senegal und scheitert durch Unerfahrenheit und Leichtfertigkeit des Kapitäns auf den Riffen vor der Küste. Der Kapitän (ein Royalist und Standesherr) reserviert die wenigen Rettungsboote für sich, seine Offiziere und die Seeleute. Für die mitgeführten Soldaten, die Frauen und Kinder, wird ein Floss gezimmert, das schon bei Betreten unter die Wasseroberfläche gerät. Von 150 Leuten werden, als das Floss endlich Hilfe findet, 15 gerettet. Das Bild von Théodore Géricault ging um die Welt. Das zerfetzte Segel ist noch in Bildern von Delacroix über die zweite Französische Revolution und in Bildern Eisensteins in „Panzerkreuzer Potemkin“ präsent.
Der Schiffbruch des Luxusdampfers Costa Concordia vor der Insel Giglio und das groteske Versagen ihres Kapitäns – ein moderner Schiffbruch 100 Jahre nach dem Untergang der Titanic, aber die Rettungsboote funktionieren immer noch nicht – wirft auf die Metapher von Hans Blumenberg ein grelles Licht. Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Romanistin an der Universität Konstanz berichtet.
 
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