Neu im Catch-up Service: Der mit den Bildern tanzt


Besuch in Anselm Kiefers „Arsenal“ in Croissy-Beaubourg bei Paris
Direkt neben einem Flugplatz in einem Vorort von Paris liegen die riesigen Hallen, in denen Anselm Kiefer an seinen Bildwerken arbeitet. Er lebt inmitten seiner Bilder. Neue Werke haben sich im letzten Jahr gehäuft. Kiefer nennt diese Ateliers sein „Arsenal“: seine Waffenkammer. Die großen Flächen seiner Bilder empfindet der Künstler als „Bühne“. Er malt, sagt er, nicht nur mit dem Kopf und den Augen, sondern mit dem ganzen Körper, mit den Muskeln, der Haut und allen Sinnen. Im Grunde „tanze ich meine Bilder“.
Wenn er in der Frühe aufsteht, greift er zunächst zu Büchern. An ihnen entzündet sich sein Kopf. Im Atelier stehen z. B. die zahlreichen Bände von Grimms Wörterbuch. Texte, Klänge und Bilder gehören für Kiefer zu einer Einheit.
Wie Menschen (und die Kunst, welche die Menschheit seit den Anfängen begleitet) beruht auf einem „Stau an Unwahrscheinlichkeiten“. Im Kosmos müssen drei Sonnen explodieren, damit die Materie entsteht, die wir in unseren Zellen täglich umhertragen. Noch unwahrscheinlicher war es, dass das Leben aus seinen Anfängen, über Katastrophen und Einschläge von Himmelskörpern hinweg, wie durch Nadelöhre den Weg durch die Krisen, die das Leben zeitweise fast ganz auslöschten, bis zu unserer Gegenwart fand. Mit diesen Zuständen und Rätseln der Evolution geht das Werk von Anselm Kiefer um.
Als junger Mann war Kiefer als Kellner tätig. Abends verspielte er in der Spielbank, was er verdient hatte. Neben dem Platz, an dem er arbeitet und jetzt berichtet, befindet sich eine Skulptur: Ein Hufeisen unter Glas, befestigt an einem seidenen Faden.
Wie malt man, dass sich die Götter der Antike derzeit aus der Ägäis entfernt haben? Wie würde man den Zentauren Chiron darstellen, von dem Hölderlins Gedicht handelt? Könnte man in Analogie zu Leonardo Da Vinci die Anatomie eines Kentauren skizzieren? An der Wand des Ateliers hängt das große Bild eines Gewässers. Auf das Bild ist ein Sperrgitter montiert. In der Mitte des Gitters zeigt sich ein Riss, durch den Riss fährt ein U-Boot. Das Sperrgitter stammt aus einem See bei Berlin und diente als Sperre, die Flüchtlinge aus der DDR am Überschreiten der Unterwassergrenze hindern sollte. Verblüffend ist die Nähe und Identität radikal verschiedener Erfahrungsbereiche in Kiefers Werk. Wissenschaft und Evolution, Geheimlehren (wie die des alchemistischen Dr. Fludd), Gegenwart, Geschichte, nur visuell fassbare Gebilde und literarische Texte, die von Ingeborg Bachmann über Hölderlin bis Heraklit zurück reichen, verbinden sich zu unverwechselbaren Einheiten. „Klugheit ist die Kunst, unter verschiedensten Umständen treu zu sein“. Das ist ein Satz Hölderlins, der sich ebenso auf die Antigone wie auf Sokrates bezieht. Anselm Kiefer prüft, ob man mit einem Bild auf solch einen Satz antworten kann.
Besuch bei Anselm Kiefer in Paris.
► Der mit den Bildern tanzt (News & Stories vom 29.06.2016)


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► Alkahest
alkahestDas geheimnisvolle Wort ALKAHEST bezeichnet in der Alchemie einen Stoff, der alles Feste auflöst. Gemeinsam mit seinem Gegenpol, dem OPUS MAGNUM (dem dichtesten Konzentrat) bildet diese KRAFT DES FLÜSSIGMACHENS den Pol des Lebendigen. Um diesen Kern gruppieren sich neue Bilder von Anselm Kiefer, die er in einer Ausstellung in der Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg, zeitgleich mit den Salzburger Festspielen vorstellte. Auch die Gestalt des Samson aus dem „Buch der Richter“ im Alten Testament gehört zu dem umfangreichen Themenkreis.
Begegnung mit Anselm Kiefer, dem Künstler, „der in Bildern denkt“.


► Gärten zweier Welten, ein Gespräch mit Anselm Kiefer
anselm-kieferAnselm Kiefer, geboren am 08. März 1945, gehört zu den großen Meistern der internationalen Kunstszene. Er stammt aus Deutschland. In der Villa Schöningen in Potsdam war 2010/2011 seine Ausstellung „Europa“ zu sehen. Es geht um Installationen und Bilder, die sich mit der von einem göttlichen Stier entführten Prinzessin Europa und der mythischen Königin Pasiphae befassen, die das Monstrum namens Minotaurus geboren hat. In den Bildern von Anselm Kiefer geht es immer um Parallelwelten, in denen die Wirklichkeit des Mythos und die Brüchigkeit moderner Realität einander konfrontieren.


► Gerhard Richter: Bildermacher
gerhard-richter-bildermacher„Ich sollte mich nicht mehr Maler, sondern Bildermacher nennen“.
Für einen Tag gestaltete der Künstler Gerhard Richter die komplette Ausgabe der deutschen Tageszeitung DIE WELT mit Fotos aus seiner Werkstatt. Die ruhigen Bilder und die Tonlage des aktuellen Tagesgeschehens treten in einen verblüffenden Gegensatz. Gerhard Richter kommentiert seine Arbeitsweise. „Ich sollte mich“, sagt er, „nicht mehr Maler, sondern Bildermacher nennen“. Die Fotos besitzen für ihn einen eigenen künstlerischen Ausdruck. Oft sind sie Vorstufen und Skizzen für starke Bilder in seinem malerischen Werk. Es ist auch ein Irrtum, sagt Gerhard Richter, wenn man seine neuesten Bilder als abstrakt bezeichnet. „Es sind Bilder aus einer Gegend, die ich noch nicht kenne.“
Bildermacher Gerhard Richter im Gespräch.


► Velimir Chlebnikov
kiefer300
Anselm Kiefer über einen Anführer der Dadaisten.
„Ein Mann, der mit 37 Jahren stirbt, ist zu jedem Zeitpunkt seines Lebens ein Mann, der mit 37 Jahren stirbt“