Neu im Catch-up Service: Wir fahren nach Brasilien


Auswanderer ziehen in ein Land der Extreme
Nicht nur die U.S.A. sondern auch Brasilien ist durch starke Immigrantenschübe zu einem Gemeinwesen geworden. Der erste Schub an Arbeitskraft kam unfreiwillig als Sklaven aus Afrika. Es folgten Ströme von Auswanderern aus dem ehemaligen k.u.k. Kaiserreich. Der erste Kaiser Brasiliens war mit einer österreichischen Erzherzogin verheiratet. Noch 1918 organisierte ein entlassener Rittmeister der k.u.k. Armee für seine Kameraden den Exodus in eine der boomenden Provinzen Brasiliens.
Dadurch dass ein europäisches Königshaus das Kaisertum in Brasilien begründete und dieser monarchische Zusammenhalt in der späteren Republik immer wieder eine „poder moderador“ nach sich zog, eine vermittelnde Instanz, die „über den Parteien“ steht, war es möglich, territorial extrem auseinander liegende Provinzen zusammen zu halten. Eine europäische Philosophie und Soziologie, nämlich der Empirismus und Positivismus von Auguste Comte, gibt dem brasilianischen Staatsprojekt eine Richtung und ein Identitätsgefühl, das sich von dem in anderen lateinamerikanischen Republiken unterscheidet.
Die Lateinamerika-Historikerin Prof. Dr. Ursula Prutsch über das Phänomen Brasilien.
► Wir fahren nach Brasilien (10vor11, Sendung vom 01.02.2016)


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► Alle Realitäten, die wir schaffen, fangen im Kopf an!
realitaetenAUSWANDERUNG und HEIMKEHR sind das Thema vieler Mythen. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, oft endgültig, hat das starke Gründe und ist ein emotional tiefes Erlebnis. Das neueste Filmprojekt von Edgar Reitz befasst sich mit der Auswanderung der Hunsrücker nach Süd-Brasilien im 19. Jahrhundert. Der Film wird den ganzen Weg aus dem Hunsrück zum Rhein, in die Niederlande, die Schiffspassage, die abenteuerliche Ansiedlung und die weiteren Schicksale der ausgewanderten Familien beschreiben. Die Motivsuche hat begonnen.
Ein Grundstrom im Werk von Edgar Reitz ist die Suche nach einer Erzählweise, die von den wirklichen Gefühlen der Menschen ausgeht und zugleich die Forderungen der Filmkunst erfüllt, wie sie in der 120 Jahre jungen Filmgeschichte angelegt ist. Gerade in unserer heutigen, von Stoff-Fülle und Überraschungen der Zeitgeschichte geprägten Welt, lohnt sich die Reflektion auf die Erzählformen des Films.
Begegnung mit Edgar Reitz.


► Black Atlantic
black-atlanticDie Menschen, die als Sklaven aus Afrika in die Karibik und nach Brasilien kamen und deren Nachfahren haben dort Religionen entwickelt, die bis in die Moderne eine ungebrochene Vitalität und Vielfalt zeigen. Es sind Religionen der Revolte. Sie sind „synkretistisch“, das heißt sie verknüpfen Vorstellungen und Praktiken verschiedener Herkunft zu einer neuen Religion („Patchwork“).
Dr. Astrid Reuter hat Voodoo (aus Haiti), Candomblé (in Brasilien) und andere Religionen untersucht und darüber geschrieben.
In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin.


► Evita „Santa“ Perón
evitaMit 33 Jahren starb Evita Perón an Krebs. Durch ihren frühen Tod wurde Evita Perón zur Legende. „Don’t cry for me, Argentina“. Aus Anlaß einer wirksamen Hilfsaktion für Opfer eines großen Erdbebenunglücks in den Anden kam die junge Schauspielerin Evita Duarte, uneheliche Tochter eines reichen Gutsbesitzers, und der junge Politiker und Militär Juan Perón zueinander. Sie wurden ein politisch und emotional untrennbares Paar. Mit Hilfe ihrer öffentlichen Auftritte und über Evita-Perrón-Stiftung, durch die sie unkonventionell und ganz anders als der verkalkte Staat dort half, wo die Not am größten war, entwickelte Evita eine populäre Bewegung, die vor allem von der arbeitenden Bevölkerung getragen war und weit über ihren Tod hinausreichte. Es greift zu kurz, den Populismus und die besessene und hingabebereite Aktivität Evitas als Ableger des europäischen Faschismus zu deuten. Auch Argentinien erklärte im März 1945 Deutschland und Japan den Krieg. Bei großer Nähe zu autoritären Prinzipien in Europa, insbesondere zu Franco-Spanien, besitzt die argentinische Geschichte und die dortige populare Bewegung eine eigene Dynamik und Charakteristik, die zu untersuchen sich lohnt.
Dr. Ursula Prutsch, Dozentin mit dem Forschungsschwerpunkt der Geschichte Lateinamerikas an der LMU München, schrieb eine eindrucksvolle Biografie Eva Peróns.


► Eidgenossen in den Kolonien
eidgenossen-kolonienDie Schweiz war keine Kolonialmacht. Aber viele Schweizer, Heimweh im Herzen, arbeiteten in der Fremde und suchten dort ihr Glück. So waren Schweizer Handelshäuser in Singapur im 19. Jahrhundert und über zwei Weltkriege hinweg im Tuchhandel aktiv. Für die Freizeit gründeten sie in ihrem asiatischen Domizil heimatliche Schützenvereine. Während des Gummi-Booms (die Gummibäume kamen aus Brasilien nach Sumatra) betrieben oder verwalteten Schweizer Plantagen. Die imperialen Kolonialherren, bei der Bevölkerung oft nicht beliebt, sahen die Zuarbeit der Eidgenossen gern. Auch hier galten Schweizer als neutral. Schweizer Söldner tun noch heute Dienst in der Garde des Papstes und verteidigten Ende des 18. Jahrhunderts den letzten französischen König bis zum Tod. Die Fortsetzung der „Schweizer Fremdarbeit“ setzt sich im Zeitalter des Imperialismus auf kommerziellem Gebiet fort.
Der Historiker Dr. Andreas Zangger, der in Amsterdam lebt und die Schicksale von Eidgenossen während der Kolonialzeit untersucht hat, berichtet.


► Tarzan, der ungezähmte Frauenretter
tarzanIm Jahre 1912 publizierte der Amerikaner Edgar Rice Burroughs seinen berühmten Roman „Tarzan“. Die Handlung ist bekannt: Ein Kind wird in den Dschungel verschlagen und von Affen aufgezogen. Bei einem Besuch in dem Haus, aus dem er entführt wurde, findet er ein Buch und ein Messer. Er lernt schreiben und das Messer zu gebrauchen. Später wird er zum Frauenretter und heiratet Jane.
Die Historikerin Prof. Dr. Gesine Kröger, Universität Zürich, interessiert an der Frage nach dem Zusammenhang von „Schrift und Gewalt in Südafrika“, kommentiert Burroughs Roman. Burroughs Roman beschäftigt sich mit der Frage, welche menschlichen Eigenschaften angeboren und welche aus der Umwelt erlernt werden. Burroughs kommt zu der verblüffenden Annahme: Angeboren ist die Kultur, nicht die Natur. Das heißt Menschen sind keine geborenen Wilden. Die berühmte Tarzan-Phantasie, sagt Gesine Kröger, basiert auf einem „amerikanischen Traum vom Dschungel“: Im Regenwald verschwindet die Zivilisation keineswegs, sondern entsteht im neuen Glanz.
Die Helden des Dschungels sind sämtlich Frauenretter: King Kong, Tarzan und der Wolfsmensch Mogli. Außerdem sind sie unzähmbar.
In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin.