Neu im Catch-up Service: Welche Charaktere braucht der Ernstfall?


Das Versagen der Eliten von 1914
In allen am Kriegsausbruch beteiligten Ländern, in Frankreich, Russland, Großbritannien, in Wien und im Deutschen Reich waren Eliten tonangebend. Keiner dieser Verantwortlichen war der Situation gewachsen. Der Juli 1914 wuchs buchstäblich allen über den Kopf.
Der Historiker Prof. Dr. Michael Stürmer, Chefkorrespondent der WELT, beschreibt eindrucksstark das Ineinandergreifen von Irrtum, Hochmut, Schwäche und Vorurteil beim Zustandekommen der Krise und bei der Unfähigkeit, sie 1914 diplomatisch zu beantworten. Noch auffälliger scheint ihm, dass es in den folgenden 4 Jahren keinem der verantwortlichen Politiker gelang, aus der Katastrophe rechtzeitig herauszufinden. Der Krieg musste sich erst selbst aufzehren, bis er (fast mit einem Zufallsergebnis) endete. Einer der Krisenfaktoren war der Unglaube an eine glückliche Lösung, eine depressive Haltung führender Politiker wie des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg und des britischen Außenministers Edward Grey, die an sich mögliche Eingriffe in den Krisenverlauf verhinderte.
Oft, sagt Stürmer, führt ein gewisses Maß von Skepsis zum Realismus. Hier war sie die Voraussetzung für Nichstun im rechten Moment und Tätigwerden im falschen.
Spannend und informativ.
► Welche Charaktere braucht der Ernstfall? – Entfallene 10vor11 Sendung vom 28.07.2014


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► Kurzschluss 1914
kurzschluss1914Etwa ab dem Jahr 1895 entwickelten sich die Industrien und die Märkte in rasanten Schritten zu einer globalen Welt. Von ihr wurden die Realitäten bestimmt. Die politische Organisation in Nationen entsprach dieser Wirklichkeit nicht mehr. Die Politiker aller beteiligten Länder waren diesem Veränderungs-prozess nicht gewachsen, sie fühlten sich verunsichert. Daher antworteten sie auf die Lage indem sie sich auf die schematischen Rezepte der Vergangenheit stützten: Bluff, Drohkulissen, Militär. Die Realwelt war im Juli 1914 durch eine virtuelle Welt ersetzt, in der Pläne und Entschlüsse eine Rolle spielten, denen in Wirklichkeit nichts entsprach.
Jede der großen Mächte suchte sich ihren Wunschgegner. Es entwickelten sich „lauter falsche Kriege“. Zeit gründlich nachzudenken und subtil zu verhandeln hatte niemand. So kam es zum Crash.
Prof. Dr. Jürgen Angelow, Potsdam, über den extremen Zeitdruck in der Juli-Krise.
Spannend und informativ.


► Die Schlafwandler
schlafwandlerDie Politiker Europas im Jahr 1914 nennt Christopher Clark, Historiker an der Universität Cambridge, in seinem viel diskutierten Buch: die Schlafwandler. Keiner wusste genau, was er tat. Keiner der Mächtigen strebte damals tatsächlich einen Krieg an. Aber auch keiner tat etwas, um ihn zu verhindern. Deshalb, sagt Christopher Clark, ist nicht die Frage, wer war schuld an dem fürchterlichen Krieg, das Interessante, sondern die Frage nach dem „Wie“: Wie stolperte Europa und dann die Welt in diesen Krieg hinein? Kann sich so etwas in einem Konflikt im Nahen Osten wiederholen?
 


► Krieg ist ein Meister der Paradoxien
paradoxien-kriegEs werden Pläne gemacht, etwas ganz Anderes kommt heraus als beabsichtigt. Oft ist es das Gegenteil der Absicht. Diese Paradoxie gehört zu den Haupteigenschaften eines jeden Kriegs, ganz besonders herrscht Paradoxie im Großen Krieg 1914-1918.
Das Standardwerk über den Ersten Weltkrieg, das Herfried Münkler schrieb, mit dem Titel DER GROSSE KRIEG, zeigt bestürzend aktuelle Zusammenhänge. Die Erfindung des Giftgaseinsatzes, eine der „Errungenschaften“ des Großen Kriegs, reicht bis zu Assads Giftgas in Syrien 2013. Das Problem Deutschlands und Österreich-Ungarns war das einer Mittelmacht. Je mächtiger sie ist (und das gilt wirtschaftlich und militärisch für das 1871 gegründete Deutsche Reich) desto mehr bringt sie alle umgebenden Mächte gegen sich auf. Sie isoliert sich und „wird eingekreist“ durch die eigene Wucht, nicht bloß durch die Absichten der Anderen. Dies, sagt Herfried Münkler, ist heute das Problem des aufstrebenden Chinas. Je mächtiger es in Erscheinung tritt, desto intensiver bildet sich dort im Umkreis die Gruppe der verbündeten Gegner, die Anschluss an die U.S.A. suchen.
Geschichte wiederholt sich nicht, so Münkler, aber Konstellationen und Strukturen kehren überraschend wieder. Die Gegenwehr Russlands gegen „Interventionen raumfremder Mächte“ in der Ukraine (als die Russland die EU, die NATO und die U.S.A. auffasst) erinnert den Historiker an die Monroe-Doktrin im 19. Jahrhundert, also die Abwehr, welche die Vereinigten Staaten gegen die europäischen Interventionen in der Nähe ihres Kontinents übten.
In dieser Hinsicht unterscheidet Münkler strategisches Lernen vom systemischen Lernen. Deutschland hat aus dem Ersten Weltkrieg nur eine Verbesserung seiner militärischen Beweglichkeit gelernt und die daraus im Zweiten Weltkrieg folgende Aggression bitter büßen müssen. Solches Lernen genügt nicht. Systemisches Lernen zeigt sich im Wiederaufbau nach 1949. Eine neue Realität wird angewählt und nicht an einer älteren neu gebastelt.
Herfried Münklers Darstellung des Großen Krieg ist reich an Erfahrung und aktuellem Bezug.
Spannend und informativ.


der-erste-weltkrieg
Der Weltkrieg von 1914 bis 1918 enthält, wie ein Laboratorium, die Erfahrung darüber, wie ein ganzes Jahrhundert durch einen Zivilisationsbruch entgleist. Wer sagt uns, dass das 21. Jahrhundert nicht ebenfalls entgleisen kann? Eventuell aus anderen Gründen als 1914?
► Der Erste Weltkrieg auf dctp.tv (32 Filme)
–> Der Erste Weltkrieg (Magazinbeitrag)

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